US-Präsident Joe Biden hat seinem Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj in Kiew jüngst die Erlaubnis erteilt, mit Atacms-Raketen russische Gebiete anzugreifen.

Marcus Keupp, Dozent für Militärökonomie an der Militärakademie der ETH Zürich, konnte die Biden-Entscheidung kaum erwarten. Es sei höchste Zeit, dass Kiew «jetzt endlich die Erlaubnis» erhalten habe, meinte Keupp unlängst gegenüber den ZDF-«Heute»-Nachrichten.

Die Reichweitenfreigabe amerikanischer Atacms-Raketen ermögliche es Kiew, zentrale «Eisenbahnknoten» ins Visier zu nehmen. Keupp nennt etwa die Stadt Rostow am Don oder die Stadt Liski bei Woronesch.

Die ukrainische Armee könne jetzt vermutlich auch die «Auffahrtsrampen» für Autos und Züge vor der Brücke von Kertsch angreifen und die Brücke unbefahrbar machen.

«Sie sehen: Meine Fantasie ist am Blühen», meinte Keupp mit einem Lächeln. Die Kertsch-Brücke verbindet die Krim mit dem russischen Festland und stellt für Moskau eine wichtige Versorgungslinie dar.

Kritiker monieren: Mit der Entscheidung Bidens nehme die Gefahr eines Atomkrieges zu, und eine rote Linie sei überschritten. Dies, weil die ukrainischen Angriffe eine nukleare Antwort Russlands nach sich ziehen könnten.

Keupp lässt das kalt. «Machen sie die Lager leer. Liefern sie alles in die Ukraine. Da ist die Front», so der Rat des ETH-Dozenten. Es sei jetzt nicht an der Zeit, in «Angstfantasien» die Flucht zu suchen. Sonst laufe man Gefahr, der russischen Propaganda auf den Leim zu kriechen.

Bereits jetzt weiss Keupp: «Wir haben es mal wieder mit sogenannten roten Linien zu tun, die sich dann im Nachhinein als Propagandabluff herausstellen. Wie schon bei den letzten 27 Runden, die wir hier durchgeführt haben.»

Keupp, so der Eindruck, sehnt sich richtiggehend nach einer totalen Eskalation des Krieges. Seine Meinung als Privatperson sei ihm unbenommen. Doch problematisch ist: Keupp ist ein Angestellter des Verteidigungsdepartements (VBS) und nicht der Armee von Wolodymyr Selenskyj. Der deutsche Militärökonom bildet angehende Berufsoffiziere der Schweizer Armee aus, eine Armee, die zumindest offiziell neutral sein sollte.

Nicht selten lag Keupp in der Vergangenheit komplett falsch mit seinen Einschätzungen. Im November 2022 meinte Keupp noch voller Überzeugung, dass der Krieg entschieden sei, ein Sieg der ukrainischen Streitkräfte nur noch eine Frage der Zeit. «Russland wird den Krieg im Oktober verloren haben», prophezeite er damals. Orakelt Keupp, gilt höchste Vorsicht. Im ZDF-Interview meinte er jetzt: «Ich interessiere mich weniger für die Vergangenheit als für die Zukunft.» Zumindest hier hat der ETH-Mann wohl recht.