Wien soll angeblich die «lebenswerteste Stadt der Welt» sein, will das schlimme Systemmedium The Economist herausgefunden haben. Pah! Fake News! Alternative Fakten!

Wenn man freilich die Massstäbe der von Dekadenz und Niedergang geprägten Welt des späthabsburgischen Kapitals zugrunde legt, wenn man nichtsnutziges Flanieren und das Ausleben weisser Kulturhegemonie und Dominanz in beschaulichen Kaffeehäusern bei gesundheitsschädlichen Mehlspeisen mit völlig unzeitgemässer Bedeutung auflädt, dann kommen solche Zerrbilder zeitgenössischen Daseins heraus. Pittoresk äpfeln daher klappernde Nostalgie-Kaleschen nebst einem Schmäh, der es für stilvoll hält, heiss bereitetes lau zu verspeisen.

Die wahre Warenwelt der vital und betörend flimmernden Frankfurter Bordell-Dealer-Meile rund um den Main-Metropolen-Bahnhof ist derweil mit durchsichtigem Kalkül von den Knechten des Kapitals auf Platz siebzehn abgedrängt worden und teilt sich diesen Rang mit Berlin, wo gerade dieser Tage lebensfrohe Kreuzberg-Videos migrantischer Massenschlägereien zur sportlichen Frühertüchtigung durchs Netz gingen.

Dabei zeigen tägliche Messer-Attacken, Freibad-Krawalle, Verkehrsinfarkt und ausgelassen aufs Rettungspersonal fliegende Feuerlöscher zum Jahreswechsel, dass hier an der Spree des Zeitgeists reine Seele zu Hause ist. Keine deutsche Stadt hat es bei den Meinungsmachern des Economist diesmal unter die ersten zehn geschafft, weil der weltfremde Briten-Escapismus sich verschliesst vor dem prallen Muskelspiel brodelnder Multikultur.

Ausweislich des Migrantenzustroms sind eindeutig die sozialen Brennpunkte Deutschlands die lebenswertesten und attraktivsten Hotspots. Haben die Brexit-Briten natürlich wieder mal nicht begriffen …

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.