«Komme gleich wieder» stand früher gern zu mauen Geschäftszeiten auf dem Pappschild an der Ladentür, wenn Kolonialwarenhändler Stippekohl zum Mittagstisch daheim kurz Pause machte. Die CDU hat extra im Berlin-Neuköllner «Estrel»-Hotel einen Riesensaal gemietet, um das Schild an der Gemischtwarenhandlung «Merz & Co.» wieder umzudrehen.

«Die CDU ist wieder da» ist der wohl meistbemühte Slogan beim dreitägigen Bundesparteitag der Union. Emphatisch in die Halle mit 1001 Delegierten gerufen, kann man sich auf Johlen und Applaus der selbstbegeisterungswilligen Basis verlassen. Auf rund 30 Prozent kommen CDU/CSU derzeit in den Umfragen, und weil die aktuelle Ampel-Regierung aus der Dauerkrise nicht herauskommt und nicht einmal gemeinsam (SPD, Grüne und FDP) auf Werte der Union kommt, scheint für die Christdemokraten die Rückkehr an die Macht zum Greifen nah.

Macht ist traditionell der Selbstzweck für die Union. Inhalte gut und schön, aber CDU/CSU gehören im eigenen Selbstverständnis ins Kanzleramt. Rund 50 von 75 Jahren Bundesrepublik regierte die Union, wie immer wieder mit leicht beschwörendem Unterton erwähnt wird. Macht als Normalzustand.

Und weil Macht an sich etwas kalt und leer erscheint, gibt sich die Union auf dem Bundesparteitag in Berlin ein neues Grundsatzprogramm. «CDU pur», wie der zweitplatzierte Lieblingsslogan lautet, der ein wenig so klingt, als hätte im konservativen Laden eine Weile Ausverkauf geherrscht. Alles musste raus. Und jetzt wieder rein, soll das wohl heissen. Und: Nein, nein, nicht nur für kurze Zeit. Auch wenn die Parteispitze dezent darauf achtet, dass die Angebote zu Migration, Islam und Sozialpolitik die sanftmütige Kundschaft der Merkel-Jahre nicht gleich wieder grundlegend verschreckt.

Und weil das neue Grundsatzprogramm so einen wunderschönen Sound hat, wurden Auszüge von der bekannten Synchronstimme Engelbert von Nordhausen (u.a. Samuel L. Jackson) gelesen, wie die Epistel im protestantischen Gottesdienst. Wir lesen heute aus dem ersten Buch Merz die Verse eins bis fünfzehn …

CDU-Chef Friedrich Merz wird schliesslich mit knapp 90 Prozent der Delegiertenstimmen wiedergewählt und baut damit seine Position als Anwärter auf die Kanzlerkandidatur gegenüber seinen Kritikern und merkelistischen Heckenschützen aus. Hier im Saal muss er sich moderat geben, um Wahlen draussen im Land zu gewinnen, braucht er deutlich mehr Attacke.

Synchronsprecher von Nordhausen tritt am Ende seiner Lesung in die CDU ein. Eine Stimme mehr. Immerhin. Jetzt gehhhheet’s looos…

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.