Seinen Ausflug in die Schweiz dürfte sich der palästinensisch-amerikanische Journalist Ali Abunimah anders vorgestellt haben. Am vergangenen Samstag wollte Abunimah in der Limmatstadt über den Nahost-Konflikt sprechen.

Eingeladen hatte ihn das Palästina-Komitee Zürich. Doch zur Rede kam es nicht. Am Samstagnachmittag wurde Abunimah von Zivilpolizisten verhaftet. Laut seinen Aussagen auf «brutale Weise».

Die Zürcher Sicherheitsdirektion, geführt von Regierungsrat Mario Fehr, tat alles dafür, den Auftritt Abunimahs mit allen Mitteln zu verhindern.

Kurz vor der Verhaftung hatte das Fedpol offenbar einem Gesuch von Fehrs Sicherheitsdirektion stattgegeben, das eine Einreisesperre für den Journalisten gefordert hatte.

Abunimah sei eine Gefahr für die innere Sicherheit der Schweiz, urteilte die Bundespolizei. Und Regierungsrat Mario Fehr meinte: «Einen islamistischen Judenhasser, der zu Gewalt aufruft, wollen wir nicht in der Schweiz.»

Abunimah ist Journalist bei der Onlineplattform Electronic Intifada, die Partei ergreift für die Sache der Palästinenser. Der Journalist bezeichnete einen Angriff Irans auf Israel etwa auch schon als «Akt der Menschlichkeit». Es sind Positionen, die aus einer westlichen Sicht zweifellos für grosse Empörung und Kopfschütteln sorgen.

Abunimah macht sich die Propaganda Irans und der sogenannten «Achse des Widerstands» zu eigen. Das mag man verachten und ist nichts für schwache Nerven. Doch warum genau Abunimah deshalb eine Gefahr für die innere Sicherheit des Landes, warum er eine Gefahr für die Schweiz dargestellt haben soll, bleibt nach wie vor unklar.

Weder das Fedpol noch die Zürcher Sicherheitsdirektion können dies auf Nachfrage erläutern. «Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns aufgrund des Amtsgeheimnisses nicht weiter zu konkreten Einzelfällen oder namentlich genannten Personen äussern», schreibt EJPD-Mediensprecher Christoph Gnägi.

Sicherheitsdirektor Fehr reagierte genervt auf kritische Nachfragen. Dass es sich bei Abunimah, der regelmässig über den Nahost-Konflikt schreibt, um einen Journalisten handelt, stellte Fehr in Abrede.

Kein Verständnis für das Vorgehen der Behörden zeigt Didier Pfirter, ehemaliger Schweizer Botschafter und Assistent für Staats- und Völkerrecht an der Universität Basel. «Für mich ist schleierhaft, wie Abunimah die innere Sicherheit der Schweiz gefährdet haben soll. Das Vorgehen von Sicherheitsdirektor Fehr erinnert mich an autoritäre Regime.» Pfirter, einst im EDA in der Direktion für Völkerrecht zuständig für die Neutralität, verweist auf die Doppelstandards.

«Das israelische Parlament Knesset hat vor einem halben Jahr beinahe ohne jüdische Gegenstimmen beschlossen, dass es zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan nur ein Land geben darf: nämlich Israel. Ein palästinensischer Staat hat hier keinen Platz», so der ehemalige Botschafter. Pfirter sieht die Meinungsfreiheit in Gefahr. «Ein liberaler Rechtsstaat täte gut daran, sich an Voltaire zu erinnern, der sagte: ‹Ich mag ihre Ansichten verdammen, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass sie diese frei aussprechen dürfen.›»

Inzwischen befindet sich Abunimah nicht mehr in der Schweiz. Am Montagabend flog er von Zürich nach Istanbul weiter. Sein Handy, behauptet der Journalist, soll er erst kurz vor dem Abflug wieder erhalten haben. Im Flugzeug schrieb sich Abunimah auf der Plattform X regelrecht in Rage.

Westliche Demokratien wie die Schweiz, so sein Vorwurf, unterstützten heute den «zionistischen Genozid» an den Palästinensern. Seinen Kommentar beendete er mit dem Kampfaufruf: «From the river to the sea Palestine will be free.» Womit er seine grössten Kritiker wiederum bestätigt. «Gut, hat Abunimah das Land verlassen», urteilte die NZZ.

Doch hier irrt sich die NZZ gewaltig. Die Unterdrückung anderer Meinungen ist einer Demokratie unwürdig, das Verbreiten von Kriegspropaganda noch kein Grund für ein solch rigoroses Vorgehen der Behörden.

Oder hätte man etwa auch den israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog verhaften sollen? Seine Aussagen, so viel steht fest, können mit denjenigen von Abunimah locker mithalten. «Wir werden kämpfen, bis wir ihnen das Rückgrat brechen», sagte der israelische Präsident in einer Rede nach Beginn des Krieges im Oktober 2023.

Und meinte damit nicht nur die Hamas. Sondern die Palästinenser als Ganzes. Es sei die «ganze Nation da draussen, die verantwortlich» sei für den Terror – darunter auch die Zivilisten. Israel habe es mit «barbarischen Terroristen» zu tun, wetterte er zudem unlängst am WEF in Davos. Soll man Herzog nun auch verhaften und zensieren?

Eins ist klar: Wer mit der Unterdrückung anderer Meinungen beginnt, lässt sich auf eine Gratwanderung ein, die schnell einmal nicht mehr zu bewältigen ist.