Die Entzugserscheinungen bei fehlender öffentlicher Präsenz müssen unerträglich sein – und das Leben im medialen Schatten kaum zum Aushalten.

Als Erster litt Roger Federer unter diesem heimtückischen Syndrom. Kaum hatten ihm Novak Djokovic und Rafael Nadal den Grand-Slam-Rekord entrissen, gab es für den Maestro a. D. nur noch ein Mittel – er musste fremde Bühnen stürmen und beförderte sich auf dem kurzen Dienstweg zum Rocksänger. Im Letzigrund trat er am Coldplay-Konzert als Überraschungsgast von Frontman Chris Martin auf die Bühne und bewies vor allem etwas: Die Saiten des Tennisrackets beherrscht er besser als diejenige der Luftgitarre. Und die Töne in den diversen Siegerinterviews traf er viel genauer als diejenigen auf der Musikbühne.

Alain Berset war als Leichtathlet einst überregionale Klasse. Zum Medienstar wurde er aber erst als Gesundheitsapostel während der Pandemie. Kein Tag verging – ohne dass uns der lebensfrohe Romand nicht das Leben (und dessen Regeln) neu erklärt hätte.

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Nun ist Corona Schnee von vorgestern – und Berset auf dem Weg in die Pension. Offenbar fürchtet er sich schon jetzt vor dem Schritt ins Abseits. Anders ist nicht zu erklären, dass er sich am Samstag plötzlich mit Federboa, Sommerhut und Sonnenbrille an der Zürcher Street Parade auf ein Love Mobile schwang und dort ein Tänzchen zum Besten gab.

An seiner Seite: der ravende Mitgenosse Fabian Molina. Dass die Strassenparade direkt am Pressehaus von Ringier vorbeiführte, kam Berset wohl nicht ganz ungelegen.

So oder so. Die Schlagzeilen waren ihm gewiss – und das Rampenlicht ebenso. Dennoch passte die Inszenierung irgendwie nicht.

Der Verdacht liegt nah, dass sich der Bundespräsident im falschen Film befand – und dies nicht mal bemerkte.