Politik und Sport sollen bekanntlich nie vermischt werden. Doch gelegentlich funktioniert dies nicht – beispielsweise, als es 2016 um die Aufnahme des kosovarischen Fussballverbands in die internationalen Föderationen Fifa und Uefa ging. Quer stellte sich vor allem der russische Verband – zur Unterstützung seines orthodoxen Bruderstaates Serbien.

Mittlerweile sind diese Diskussionen in den Hintergrund gedrängt. Wenn die Schweiz heute Abend in Pristina in der Qualifikation zur Euro 2024 auf die kosovarische Nationalmannschaft trifft, ist dies dennoch ein brisantes und hochemotionales Duell.

In der aktuellen Schweizer Nati stehen mehrere Spieler (Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Uran Bislimi), die ihre Wurzeln im Kosovo haben und (im Fall von Xhaka und Shaqiri) vor acht Jahren von ihrer alten Heimat heftig umworben worden sind. Auf die Frage, weshalb er damals den Verband nicht gewechselt habe, antwortete Shaqiri an einer Medienkonferenz in dieser Woche ausweichend: «Als 2016 der Verband für offizielle Spiele zugelassen wurde, hat mich das in erster Linie für das Land und die Menschen dort sehr gefreut. Es gab ja die Möglichkeit für Spieler mit Wurzeln im Kosovo, die Nationalmannschaft zu wechseln. Ich war damals auch im Gespräch mit den Verantwortlichen. Aber da kam dann die EM mit der Schweiz. Und weil ich dort gespielt habe, hat sich das Thema automatisch erledigt.» Ein Treueschwur aus Überzeugung tönt anders.

Der frühere Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld sagte einmal: «Der Jugoslawienkonflikt und die Flüchtlingsströme waren eines der prägendsten Ereignisse im europäischen Fussball der jüngeren Vergangenheit.» Damit meint er: Viele Nationalteams – allen voran die Schweiz und Schweden – profitierten in grossem Masse von der Blutauffrischung aus dem Balkan.

Doch auch das Kosovo partizipiert an der Schweizer Ausbildung.

So tragen heute sieben Spieler das kosovarische Trikot, die im Schweizer Fussball gross geworden sind: Arijanet Muric, Florent Hadergjonaj, Fidan Aliti, Kreshnik Hajrizi, Andi Hoti, Betim Fazliji und Ismajl Beka.

Man könnte fast schon sagen: Schweiz A spielt gegen Schweiz B. Oder: Kosovo A gegen Kosovo B.

Vor diesem Hintergrund kommt dem Duell grösste Brisanz zu – und ist ein emotionaler Faktor, dessen Bedeutung im Vorfeld schwer einzuschätzen ist. Möglicherweise siegt heute nicht die bessere Fussballmannschaft – sondern jene Equipe, die nervlich und emotional mit der Situation besser umgehen kann.