Der Begrüssungssatz beim Wiedersehen nach langer Zeit – «Früher warst du links – und heute bist du rechts» – scheint noch immer beliebt zu sein, jedenfalls bei Akademikern, die einst zur Hochzeit des aus Ruinen auferstandenen Marxismus studiert haben. Ich antworte meist, ich hätte mich gar nicht so sehr verändert, ich sei vor fünfzig Jahren regierungskritisch gewesen und sei das noch heute. Im Unterschied zu manch alt gewordenen Linken, die sich zufrieden schmunzelnd am Sieg rot-grüner «Transformations»-Pläne erfreuen. Man kann sich kaum etwas Regierungstreueres vorstellen.

Dabei war die Jugendbewegung der 60er Jahre antiautoritär, bevor insbesondere die Studenten in stalinistischen und maoistischen Sekten versackten. Die Hippies, Blumenkinder und Systemverächter waren keine Akklamateure des Systems, sie pflegten ihre Verachtung für und die Distanz zur Macht und zu den Mächtigen.

Das war, bevor Rudi Dutschke 1967 den Marsch durch die Institutionen empfahl. Der allerdings scheint gelungen: Regierungskritisch waren viele nur, solange sie nicht dazugehörten. An der Macht, ziehen sie «wegen Auschwitz» (Joschka Fischer) in den Krieg, schränken die Freiheit der Bürger mit unsinnigen «Massnahmen» ein, blähen sich zu Erziehern der Nation auf und nennen alles «rechts», was ihnen widerspricht.

Die oben Angekommenen bekämpfen nun regierungsamtlich als Leugner, Schwurbler, Querdenker, wer sich sein Misstrauen bewahrt hat, nicht alles glaubt, was in der «Tagesschau» erzählt wird, und das Denken nicht aufgegeben hat.

Es wird Zeit, den antiautoritären Geist wiederzubeleben.