Als jüdisches Flüchtlingskind kam sie kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in ein Kinderheim nach Heiden. Dort war es ihr verboten, mit anderen Mädchen über die Menstruation zu sprechen, erinnerte sich Karola Ruth Westheimer in ihren Memorien. Sie machte Jahrzehnte später die Tabus um die Sexualität zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell.

Ab 1980 in einer Radiosendung, dann in einer TV-Show und in ihrer Zeitungskolumne «Ask Dr. Ruth». Sie erreichte ein Millionenpublikum, weil sie den Zeitgeist der Mittelklasse anzusprechen verstand. Die sogenannte sexuelle Befreiung der sechziger Jahre mit freier Liebe und kurzzeitigen Beziehungen überforderte die meisten.

Die konservative Ruth Westheimer plädierte dagegen für Offenheit in der Sexualität ohne Zwang oder Leistungsdruck, aber mit viel Liebe und Zärtlichkeit. «Gut ist, was gut tut» war ihre einfache Devise. Auch in den sexuellen Fantasien, denen freier Lauf zu gönnen sei.

Ruth Westheimer wuchs in Frankfurt auf. Ihre jüdisch-orthodoxen Eltern wurden in Auschwitz ermordet, schickten sie gerade noch rechtzeitig mit einem Kindertransport in die Schweiz. Nach dem Krieg zog sie nach Israel, wo sie sich der Untergrundbewegung Hagana anschloss. Später studierte sie an der Sorbonne Psychologie und kam in den Fünfzigern in den USA an.

Ihr Erfolg als öffentliche Sexualtherapeutin war in diesem Land mit seiner puritanischen Tradition keineswegs selbstverständlich. Aber Ruth Westheimer, selber drei Mal verheiratet und Mutter von zwei Kindern, verstand es, mit ihrem Witz über das zu reden, was viele höchstens zu denken wagten: «Wenn sie sich eine ganze Fussballmannschaft im Bett wünschen, dann ist das nichts Schlimmes …» Ruth Westheimer ist im Alter 96 Jahren verstorben.