In meiner Kindheit, so erinnere ich mich, sagte mir meine Mutter Sätze wie: «Jetzt darfst du noch draussen spielen gehen.» Oder um die Zvieri-Zeit: «Du darfst dir eine Banane nehmen.» Oder unter dem Weihnachtsbaum: «Jetzt darfst du deine Päckli auspacken.»

Natürlich akzeptierte ich dies (meistens) widerspruchslos. Das Mueti befahl, und ich hatte zu gehorchen. Und bei Wohlverhalten durfte ich allenfalls sogar noch auf eine Zugabe hoffen.

Wer eine Abklärung im Spital vornehmen möchte, hört heutzutage schon bei der Anmeldung in der Röntgenabteilung folgende Aufforderungen: «Sie dürfen noch im Wartezimmer Platz nehmen.» – «Sie dürfen jetzt mit mir kommen.» – «Sie dürfen sich hier umziehen und dann warten, bis ich Sie hole.» – «Sie dürfen jetzt hereinkommen.»

Junge Frauen (die unsere Enkelinnen sein könnten) und Ärzte (die unsere Söhne sein könnten) erlaubten mir 22 Mal, etwas zu dürfen.

Das gleiche Muster wiederholt sich beim Check-up beim Hausarzt: «Jetzt dürfen Sie sich auf diesen Stuhl setzen.» Die 25-jährige Praxisassistentin, die Blut abnimmt, sagt ganz nett: «Und jetzt dürfen Sie Ihren Hemdsärmel hochkrempeln.» Einziger Unterschied zum Spital: Hier bekommt der Besuch nicht 22 Mal, sondern bloss 18 Mal die Erlaubnis, etwas tun zu dürfen.

Warum ist man im schweizerischen Gesundheitswesen so erpicht darauf, dass der auftraggebende, die Branche bezahlende Kunde so penetrant zu spüren bekommt, wer das Sagen hat? Und wo der Gott in Weiss hockt?

Statt «Jetzt dürfen Sie den Gang hinunter und dann links bis zum Lift gehen, und dann dürfen Sie in den zweiten Stock fahren», wäre es doch wohltuend zu hören: «Gehen Sie (eventuell sogar mit einem «bitte») den Gang hinunter, und nehmen Sie den Lift in den zweiten Stock.»

Simpel. Normal. Banal. So, wie zwei Erwachsene eben miteinander sprechen.