Das welsche Fernsehen von SRF hat Filme mit Gérard Depardieu aus dem Programm genommen – mit der Begründung, deren Ausstrahlung könnte beim Publikum ein Malaise hervorrufen.

Eine Meinungsumfrage ergibt, dass das Publikum anderer Ansicht ist: über 70 Prozent der Welschen finden, es sei unsinnig, die Filme mit Gérard Depardieu zu canceln.

Warum macht das Fernsehen diesen Fehler?

Die Posse um das unflätige und mitunter sexuell fragwürdige Verhalten des weltweit berühmtesten französischen Schauspielers hat mit dieser Zensuraktion einen neuen Dreh gekriegt. Soll man wirklich das künstlerische Werk verbieten, wenn der Autor ein alternder Söiniggel ist? Das fragt man sich auf den Plateaus der französischen Fernsehsender.

In Paris spielt sich zurzeit ein Drama ab, das groteske Züge annimmt: Zuerst war da ein Ausschnitt aus einem in Nordkorea gedrehten Dokumentarfilm, der zeigt, wie sich «Gégé» gegenüber der Filmcrew über eine kleines vorbeireitendes Mädchen lustig macht. Mit Sprüchen wie, dass die Mädchen gerne reiten würden, weil das die Klitoris reibe. Und so weiter.

Huronengebrüll bei den Feministinnen und im Netz: Wie kann er nur? Wo doch gegen ihn schon ermittelt wird wegen angeblicher Vergewaltigungen. Mehrere Frauen sollen sich wegen sexueller Verfehlungen von «Gégé» gemeldet haben, aber es liegt kein Urteil vor. Gérard Depardieu streitet alles ab. Seine langjährige Frau Bouquet erklärt, ihr Ex-Mann könne keiner Frau etwas antun.

Nun hat Präsident Emmanuel Macron in einem Fernsehinterview diesen «grössten Schauspieler Frankreichs» in Schutz genommen, für die Unschuldsvermutung plädiert und klargemacht, dass er gegen jede «Chasse à l’homme» sei, also gegen die gegenwärtig vor allem im Netz veranstaltete Hexenjagd.

Gleich darauf unterzeichneten über fünfzig Kulturschaffende, berühmte Schauspielerinnen, Regisseure, Autoren und Philosophen, einen offenen Brief im Figaro, der dieses Monument der französischen Kultur ebenfalls in Schutz nahm. Bis einzelne Mitunterschreiber erfuhren, dass der junge Mann, der diesen Brief aufgesetzt hat, ein Freund des rechtsextremen Eric Zemmour ist.

Uiuiui!

Es gab sofort ein Aufheulen der mehrheitlich linken Künstler, einer nach dem andern zeigte öffentlich Reue und bekundete, dass er nie unterschrieben hätte, wenn er gewusst hätte …

Dann folgte ein weiterer offener Brief, der von mindestens hundert Kulturleuten mitunterschrieben ist, der festhält, dass die Berühmtheit und das Talent eines grossen Künstlers kein Freipass für Fehlverhalten ist. Und die Diskussion geht weiter.

Depardieu hat sich für die Sympathiekundgebungen freundlich bedankt. Er ist ein alter, sehr fetter Mann, der noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat, auf den Filmplateaus gerne die Hand nach vorbeigehenden Technikerinnen streckte, überraschend nach Belgien ausgewandert ist, dann nach Russland, wo er sich Wladimir Putin an die Brust geworfen hat, nur um den Steuerbehörden Frankreichs ein Schnippchen zu schlagen. Und vor allem weil er, der in sehr ärmlichen Verhältnissen, mit lieben Eltern, aber als Gassenjunge ohne Bildung aufgewachsen ist, immer noch das Gefühl hat, von der Grande Nation schlecht behandelt zu werden, zu wenig Liebe zu bekommen.

Man stelle sich vor, Gérard Depardieu, der grösste Cyrano de Bergerac der Filmgeschichte, der Obelix, der subtile Interpret der Chansons von Barbara, stirbt in den nächsten Monaten an einem Herzinfarkt, was bei seiner Körperfülle und dem hohen Alkoholkonsum kein Wunder wäre. Beim Begräbnis würden sich vermutlich alle Franzosen wieder, mit dem Taschentuch in der Hand, einig sein: Er war der Grösste.