Seit langen zehn Jahren berichtet Dominique Eigenmann als Korrespondent der Tamedia-Blätter aus Berlin. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, und die Gefahr ist entsprechend gross, durch den langen Aufenthalt in der deutschen Hauptstadt mittlerweile gleich zu denken und zu schreiben, wie die Mehrheit seiner Journalistenkollegen in der deutschen Hauptstadt denkt und schreibt.

In seinem neusten Kommentar behauptet Eigenmann, es sei ein «kolossaler Fehler» von Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), dass er mit den Stimmen der AfD die Asylpolitik der Bundesrepublik verschärfen wolle: «Wegen der schrecklichen Erfahrung mit der nationalsozialistischen Diktatur galt in der politischen Mitte bisher die Übereinkunft, dass man mit rechtsnationalistischen oder rechtsextremistischen Parteien nicht zusammenarbeitet. Dies unterscheidet Deutschland von Ländern wie Österreich, wo sich mit Herbert Kickl ein Radikaler gerade darauf vorbereitet, neuer Kanzler zu werden, oder der Schweiz, wo die SVP im Bundesrat mitregiert, obwohl manche ihrer Vertreter in der Asylpolitik ähnliche Forderungen stellen wie die AfD.»

So weit der Originalton von Berlin-Korrespondent Dominique Eigenmann. Man muss schon ziemlich lange und ziemlich weit von der Schweiz entfernt leben, um die seit 95 Jahren im Bundesrat mitregierende SVP im gleichen Atemzug mit den Begriffen «nationalsozialistische Diktatur», «rechtsnationalistische oder rechtsextremistische Parteien» oder «Radikale» zu nennen.

Offensichtlich findet Eigenmann es überaus zweckmässig, dass in Deutschland die Linken und die «politische Mitte» ohne die rechte Seite des politischen Spektrums regiert. Und er findet es schlimm, dass in der Schweiz eine SVP mit ihren 30 Prozent Wählern im Bundesrat mitregieren darf. Nur sollte er gelegentlich einmal den Vergleich anstellen, welchem Land es besser geht. Und ob mehr Schweizer nach Deutschland ziehen oder mehr Deutsche in die Schweiz immigrieren.

Für Eigenmann sind offensichtlich so hochanständige, geradezu brav sich ins Kollegialitätssystem einfügende Personen wie Albert Rösti oder Guy Parmelin überaus demokratiegefährdend. Dabei tragen diese SVP-Persönlichkeiten jeden auch noch so grotesken politischen Stuss ihrer Kollegen mit – als wahre Muster der Loyalität, was man von einer in die Nato stürmenden Viola Amherd oder einem sich in der NZZ bekennenden Euroturbo Beat Jans nicht sagen kann.

Tamedia wäre gut beraten, Dominique Eigenmann aus seiner zehnjährigen Berlin-Bubble zu erlösen. Damit er endlich wieder erleben und spüren kann, was die Schweiz ausmacht und wie sehr sie sich trotz teilweise ähnlicher Sprache von Deutschland unterscheidet.