Der Politikprofessor und ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Hubert Kleinert schildert in einem Interview mit der Welt die Entwicklung der Grünen seit den 80er-Jahren.

In den Anfängen sei der «Hang zum Moralisieren», den er immer kritisiert habe, noch grösser gewesen. Es gebe aber auch heute noch Überreste einer «Überdehnung des Gesinnungsethischen».

Der grüne Zeitgeist habe danach an Bedeutung gewonnen, seine Dominanz gehe aber gerade zu Ende. Das liege unter anderem an der Regierungsbeteiligung der Grünen, die zu einer «gewissen Entzauberung» geführt habe.

Der grüne Vizekanzler Robert Habeck habe beim Heizungsgesetz ungeschickt agiert, so Kleinert, und damit dem Thema Klima geschadet. Ausserdem verlange die aktuelle Weltpolitik nach Realismus und nicht nach Gesinnungspolitik. Damit täten sich die Grünen gerade beim Thema Migration schwer.

Zudem fehle der Partei das Gespür dafür, was eine Mehrheit der Deutschen wolle, beispielsweise beim Thema Gendersprache. Mit solchen Minderheitenthemen stosse die grüne Politik «auf wachsenden Unwillen».

Ein baldiger Bruch mit der Gesinnungspolitik sei nicht zu erwarten, so der ehemalige Grünen-Politiker. Die Partei hänge noch zu sehr in Weltbildern fest, «deren gesellschaftliche Tragkraft nachlässt».