Ist Präsident Joe Biden fit genug für eine zweite Amtszeit?

Diese Frage steht im amerikanischen Wahlkampf neuerdings ganz oben. Doch für einige Kritiker der Presse stellt sich in diesem Zusammenhang eine weitere Frage: Warum haben US-Medien so lange gebraucht, den Gesundheitszustand Bidens zu hinterfragen?

Die linken Medien hatten totalen und vollständigen Zugang zum Präsidenten, seinem Stab und seiner Verwaltung. Sie alle wussten über Bindens Gesundheitszustand Bescheid, aber sie haben «ihre Leser regelrecht angelogen», schreibt der Hedgefonds-Manager Bill Ackman auf X. Laut Ackman, der kürzlich seine Unterstützung für Trump bekanntgegeben hat, haben die Medien weit mehr «Spott und Hohn» verdient als die Demokraten, weil sie Bidens Probleme unter Verschluss hielten.

Es sei einfach erstaunlich, dass das ganze Land, einschliesslich der erfahrensten Reporter, von der hässlichen und schmerzhaften Realität von Bidens Auftritt bei der Debatte so schockiert war, meint Jill Abramson, ehemalige Chefredakteurin der New York Times. Die amerikanische Presse sei ihrer Pflicht nicht nachgekommen, die Machthaber zur Verantwortung zu ziehen. Die Medien wollten, vermutet Abramson, nicht beschuldigt werden, vor der Wahl Trump geholfen zu haben.

Aber mittlerweile ist es unmöglich, über Bidens kognitive Ausfälle hinwegzusehen. Auch nicht für Bidens Fanreporter. Der Nato-Gipfel wurde für den 81-Jährigen deshalb zum Lackmustest. Und US-Medien machten Bidens Verhalten zum grossen Thema.

Bevor Biden die Ukraine retten kann, muss er den Nato-Gipfel nutzen, um sich selbst zu retten, heisst es etwa bei CNN. Das WSJ meint, dass der dreitägige Nato-Gipfel Bidens Fitness auf den Prüfstand stelle, und die Nachrichtenagentur AP mutmasst, dass Biden auf dem Nato-Gipfel beweisen wolle, dass er immer noch für das Amt geeignet ist.

Allerdings helfen etablierte Mediziner weiterhin, Bidens Probleme zu vertuschen. Der ehemalige Leiter der National Institutes of Health, Anthony Fauci, gebe Biden immer noch «einen Gedächtnispass», titelt das WSJ.

Fauci stellte zum Beispiel die Frage in den Raum, ob Biden beim Duell mit Donald Trump vielleicht «eine schlimme Erkältung» hatte? «Hat er ein Antihistaminikum eingenommen, das ihn, Sie wissen schon, groggy macht, oder was weiss ich?» Fauci lehnte es ab, seine eigenen Fragen zu beantworten, weil es «unfair und unangemessen wäre, anhand eines 90-Minuten-Clips eine Diagnose zu stellen». Die Debattenstolperer des Präsidenten interpretierte er als mögliche Folgen einer «schlechten Nacht». Womit er ausschloss, dass Biden ein grundsätzliches Problem mit seiner geistigen Verfassung hatte.

Andere halten es mit Earl Miller, Professor für Neurowissenschaften am Massachusetts Institute of Technology. Gegenüber der Washington Post sagte er im Mai: «Das wirklich Wichtige ist, dass ein älteres Gehirn ein weiseres Gehirn ist.» «Wissen und Erfahrung» seien «sehr wichtig», und das könne leichte altersbedingte Gedächtnisverluste mehr als ausgleichen.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich Earl Miller nicht täuscht. Inzwischen hat sich Biden aber bereiterklärt, die Amtsgeschäfte an Vizepräsidentin Kamala Harris zu übergeben, falls er eine zweite Amtszeit gewinnt, diese aus gesundheitlichen Gründen aber nicht zu Ende führen kann – wobei er die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios ausschloss.