Wie gewinnt man ein TV-Duell und die Präsidentschafts-Wahl? Mit Eloquenz, Fakten und laserscharfem Verweis auf den miserablen Leistungsausweis des Kontrahenten.

J. D. Vance tat am Dienstag all dies.

Donald Trump hatte sich in seiner TV-Debatte vor paar Wochen von Kamala Harris provozieren lassen und verlor streckenweise den Fokus auf das Wesentliche.

Im zweiten Schlagabtausch zwischen «Team Trump» und «Team Harris» war die Reihe an den Vizekandidaten J.D. Vance und Tim Walz.

Trumps running mate überzeugte mit Präzision und Eloquenz. Es war erfrischend, ihm zuzuschauen. Wenn das Gespräch in Details abdriftete, richtete J. D. Vance den Kompass und punktete mit Schlüsselthemen.

Beispiel eins: Aussenpolitik. Während sich Vance und Walz duellierten, feuerte Iran Raketen auf Israel. Trump sei kein «Agent des Chaos», wie ihn Harris und Walz bezeichnen, erklärte Vance. Er erinnerte daran, dass die Welt zu Zeiten Trumps eine andere war. «Donald Trump hat tatsächlich für Stabilität in der Welt gesorgt, und zwar durch die Einführung einer wirksamen Abschreckung.»

Dann nahm er Harris ins Visier: «Der Iran … hat dank der Regierung von Kamala Harris über 100 Milliarden Dollar an nicht eingefrorenen Vermögenswerten erhalten. Wofür verwenden sie dieses Geld? Sie verwenden es, um Waffen zu kaufen, die sie jetzt gegen unsere Verbündeten und, Gott bewahre, möglicherweise auch gegen die Vereinigten Staaten einsetzen.»

Beispiel zwei: «Kamala Harris’ weit offene Grenze».

«Drei Jahre lang hat Kamala Harris damit geprahlt, dass sie Donald Trumps Grenzpolitik rückgängig machen würde», so Vance, «und genau das hat sie getan. Wir haben eine Rekordzahl von illegalen Grenzübertritten. Wir haben eine Rekordzahl von Fentanyl, das in unser Land gekommen ist.»

Walz blieb über weite Strecken schwammig und ergriff selten die Offensive.

Einen Tiefpunkt erreichte Walz, als er zu seiner Behauptung befragt wurde, er sei zur Zeit des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 in China gewesen. In Wirklichkeit reiste er erst nach dem dramatischen Event nach Fernost.

Von der Gesprächsleitung mit diesem Widerspruch konfrontiert, begann Walz zu stottern. Er habe sich «falsch ausgedrückt», sagte er.

«Misspoke» – das hat er schon einmal als Entschuldigung vorgebracht, als er einen zu hohen militärischen Dienstgrad für sich reklamierte, den er de facto nicht hatte.

Die Debatte war auf ansprechendem Niveau: Es gab keine gehässigen Wortgefechte oder unwürdige Beschimpfungen.

Es gab sogar Momente, in welchem der «Mensch» durch die gehärtete Schale der Politiker durchdrückte: «Ich wusste nicht, dass Ihr 17-Jähriger Zeuge einer Schiesserei war», sagte Vance zu Walz, als die beiden über Waffenkriminalität diskutierten. «Das tut mir leid. Gott möge gnädig sein.» – «Ich weiss das zu schätzen», bedankte sich Walz.

Präsidentschafts-Debatten haben kaum Einfluss auf das Wahlverhalten, heisst es. Vizepräsidenten-Debatten erst recht nicht.

Doch 2024 ist kein «normaler» Wahlkampf. Es geht um ein kleines Segment von maximal hunderttausend Wählern in einem halben Dutzend Bundesstaaten. Sie werden in einem Kopf-an-Kopf-Rennen entscheiden, wer ins Weisse Haus einzieht.

Und bei diesen Wählern hat J. D. Vance am Dienstag die bessere Visitenkarte abgeliefert.