Kann man von einem Mord sprechen, wenn die Leiche nicht auffindbar ist? Im Fall Alexei Nawalny schert man sich darum nicht. Sein wie auch immer geartetes Schicksal wird ungehemmt instrumentalisiert, um weiter gegen Wladimir Putin aufzuwiegeln.

Ein Statement jagt das andere. Ob Joe Biden oder Vitali Klitschko, ob Olaf Scholz oder Boris Pistorius – alle machen den russischen Präsidenten verantwortlich für Nawalnys tödlichen Zusammenbruch in einer sibirischen Strafkolonie am Freitagnachmittag.

Beweise haben sie dafür nicht. Hauptsache, Putin wird weiter dämonisiert. Das hilft, um Waffenlieferungen an die Ukraine ungebremst fortzusetzen. Und nützt auch in der aktuellen Debatte über Atomwaffen für Europa.

Nawalnys Ehefrau Julija Nawalnaja bekam die Todesnachricht während ihres Aufenthalts auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Auch sie reagierte reflexartig und rief die Weltgemeinschaft dazu auf, «zusammenzustehen und dieses Böse zu besiegen, dieses furchtbare Regime, das heute über Russland herrscht».

Indes sitzt Julian Assange weiterhin im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Psychische Folter und Isolation gehören zu seinem Alltag. Der Wikileaks-Gründer soll an die USA ausgeliefert werden – dort drohen ihm bis zu 175 Jahren Haft.

Während Nawalny nicht mal in Ruhe tot sein darf, tut man so, als existierte Assange gar nicht. Westliche Regierungsvertreter schweigen ihn, ja, tot. Sonst müsste man eingestehen, dass sich die USA gegenüber Russland moralisch gar nicht aufzuspielen brauchten. Deren Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak sind ein weiteres Beispiel, um das zu belegen. Und es war bekanntlich Assange, der das öffentlich machte.

Um im Westen weiter seine Hände in Unschuld waschen zu können, wird Assange also nicht gebraucht. Jemand wie Nawalny hingegen umso mehr.