Grosse Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus – zuweilen ziemlich dunkle. So ist es bei der Rad- und Paracycling-WM, die ab Samstag die Region Zürich heimsucht.

Derzeit werden auf der ganzen Strecke Verkehrsteiler demontiert, Strassenschwellen abgetragen und Lichtsignalanlagen «dingfest» gemacht. Beobachter fragen sich: Wer begleicht die Rechnung? Die Antwort: der Steuerzahler.

Ausserdem wird vielen Anwohnern erst jetzt bewusst, wie stark sie zwischen dem 21. und 29. September in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Die Liste der gesperrten Strassen ist fast so lang wie das Telefonbuch. Besonders um das Zielgelände am Bellevue gilt während des neuntätigen Anlasses mit 53 Rennen und (erwarteten) einer Million Zuschauern: Zürich steht still – und das Gewerbe ächzt schon jetzt unter Umsatzeinbussen.

Der erste Höhepunkt der WM ist das Einzelzeitfahren der Männer am Sonntag. Dann werden das Verkehrskonzept und die Geduld der Öffentlichkeit einem ersten Stresstest unterzogen.

Der Vorsteherin des Stadtzürcher Sicherheitsdepartements, der Grünen Karin Rykart, ist dies aber noch nicht genug der pedalenden Glückseligkeit. Rykart gibt ausgerechnet am Sonntag grünes Licht für eine Velodemo.

Die Kundgebung läuft unter dem Motto «Vision Zero für Züri – Mobilität nicht auf Kosten von Menschenleben!». Organisiert wird sie von Pro Velo Kanton Zürich, den «Velo Mänsche Züri» und der Grünen-Partei. Anlass ist der internationale autofreie Tag.

Die Demo ist auf 14 Uhr angesetzt – also genau dann, wenn das Einzelzeitfahren stattfindet. Gestartet wird auf dem Helvetiaplatz im Zürcher Kreis 4. Wohin die Reise führt, ist unklar. Auf der Homepage von Pro Velo ist eine «Sternfahrt» angekündigt.

Der Termin ist nicht nur wegen der Rad-WM von Brisanz. Eigentlich besteht an Sonntagen ein Demonstrationsverbot – Ausnahmen sind der 1. August und der 1. Mai. Nun dehnt Rykart die Paragrafen zugunsten ihrer linken Wähler aus. Dies kann sie gemäss dem Reglement bei «aktuellen Ereignissen» machen.

Auf Anfrage der Neuen Zürcher Zeitung begründet Mathias Ninck, Sprecher des Sicherheitsdepartements, die Bewilligung mit folgenden Worten: «Es ist machbar. Wir haben eine Route bewilligt, die weit weg ist von der Innenstadt und den Verkehr auch sonst nicht zu sehr tangiert.» Der Termin sei gesetzt, da es sich beim 22. September um einen seit Jahren wiederkehrenden Event zum internationalen autofreien Tag handle.

Während die bürgerlichen Parteien die Faust im Sack machen, ist der Beobachter aus der Agglomeration gespannt, was am Sonntag auf den Zürcher Strassen geschieht. Anarchie? Es wäre Ironie des Schicksals, wenn die Velodemo die Rad-WM stören würde. Lastenvelos sind schliesslich auch für Profipedaleure ein akutes Verkehrshindernis.