Am heutigen Donnerstag werden die Gewerkschaft Unia und der Verwaltungsrat des Schauspielhauses Zürich voraussichtlich einen Burgfrieden schliessen, der allen nützt ausser dem Theater, auf deren Kosten er ausgehandelt wurde. Um sie ging es allerdings schon lange nicht mehr, sondern um einen Machtkampf, der nun mit zwei unerwarteten Siegern sowie einem unerwarteten und einem erwarteten Verlierer zu enden scheint, zumindest fürs Erste.

Sieger ist zum einen die Unia, obwohl ihr Zürcher Geschäftsleiter Roman Burger, der die jüngste Entwicklung nicht kommentieren wollte, den Konflikt massgeblich angeheizt hatte. Die Hauptforderungen der Gewerkschaften werden erfüllt: Der Gesamtarbeitsvertrag für die technische Theaterbelegschaft wird verlängert, ohne dass eine vom Schauspielhaus verlangte Friedenspflicht neu integriert wird. Schliesslich schaltete sich zur Schadensbegrenzung der Unia-Kopräsident Vasco Pedrina persönlich ein (für eine Stellungnahme war Pedrina, der in Luxemburg weilt, nicht zu erreichen). Namentlich Elmar Ledergerber, Zürcher Stadtpräsident und interimistischer Verwaltungsratspräsident des Schauspielhauses, sollte daran erinnert werden, dass im nächsten Frühling kantonale Wahlen sind und Querelen mit den Gewerkschaften der SP kaum Stimmen bringen.

Zu den Siegern gehört auch der Zürcher SP-Regierungsrat Markus Notter, als Schauspielhaus-Verwaltungsrat ein stiller, aber starker Mann im Hintergrund. Wie aus sicherer Quelle zu erfahren war, missfiel ihm, wie sein Kollege Ledergerber sich mit der Gewerkschaft anlegte und den GAV kündigte. Notter wollte dazu nicht Stellung nehmen. Auskunft gebe, wie er pikanterweise ausrichten liess, allenfalls der Verwaltungsratspräsident Ledergerber. Der Justizdirektor akzeptiert damit stillschweigend, dass die ohnehin privilegierten technischen Theatermitarbeiter des Schauspielhauses noch vorteilhaftere Arbeitsbedingungen haben als die städtischen und erst recht die kantonalen Angestellten.

Auf der Verliererseite steht klar Elmar Ledergerber. Er hatte vor wenigen Wochen im Gespräch mit der Weltwoche noch kämpferische Töne angeschlagen: Das «Ende der Stange» sei nun erreicht. Die Unia müsse sich endlich aus dem «operativen Tagesgeschäft des Schauspielhauses zurückziehen» und die Theaterleute in Ruhe arbeiten lassen. Die absolute Friedenspflicht bezeichnete er gegenüber der NZZ als vernünftige und notwendige Massnahme, um den leichtfertigen Umgang mit dem Mittel des Streiks zu unterbinden. Er verstand nicht, weshalb sich die Unia gegen diese Forderung sträubte, in die sie in privatwirtschaftlichen Bereichen eingewilligt habe. Elmar Ledergerber nahm sogar in Kauf, dass die Unia als offizieller Sozialpartner des Schauspielhauses ausgeschieden wäre, falls sie die vom Verwaltungsrat verlangte Friedenspflicht und weitere Bedingungen nicht akzeptiert hätte.

Nun muss Ledergerber zurückkrebsen, auch wenn an der heutigen Verhandlung alles kosmetisch Mögliche unternommen werden dürfte, damit er sein Gesicht retten kann.

Mehr Geld für die Technik

Wahrlich nicht zum ersten Mal in der Geschichte des Zürcher Schauspielhauses brüskiert also der Verwaltungsrat die Theaterleute. Parteiinteressen, Wahlkampfstrategie und der Sozialfrieden sind einmal mehr wichtiger als die Kunst. Damit ist schon angedeutet, dass zu den Verlierern auch der künstlerische Direktor Matthias Hartmann und sein Schauspielensemble zählen. Die Unia wird ihre geradezu unheimliche und einzig auf Gewohnheitsrecht beruhende Unterwanderungstätigkeit auf der Pfauenbühne und im Schiffbau mit gestärktem Selbstbewusstsein fortsetzen können. Die vergleichsweise luxuriös gestellten Techniker und Handwerker des Schauspielhauses können von der Unia weiterhin gegen die Intendanz aufgehetzt werden. Es wird mehr Geld in den technischen Bereich und weniger in die künstlerische Produktion fliessen.

Die Theaterdirektion hat nun keine Verbündeten mehr, auf die sie sich verlassen kann. Und man fragt sich, wer nun den Motivierungskünstler Hartmann motivieren soll, ehe er 2009 als Intendant ans Burgtheater Wien wechselt. Dazu hätten wir Matthias Hartmann gern persönlich befragt, doch die Verhandlungspartner haben wenn auch nicht die absolute Friedenspflicht, so doch eine absolute Schweigepflicht vereinbart. Christoph Vitali, einer der Verwaltungsräte, bestätigt immerhin, man sei im Wesentlichen zu einem Resultat gelangt.

Recht bekommt damit der SP-Nationalrat und Chefgewerkschafter André Daguet, der bereits nach dem von der Unia angezettelten Streik vom vergangenen Februar gegenüber der Weltwoche freimütig meinte: «Sind Behörden und Politik involviert, können wir meist mit einem Einlenken auf unsere Forderungen rechnen.»

Damals standen die Stadt- und Gemeinderatswahlen vor der Tür, und der Streit zwischen Gewerkschaften und SP-dominiertem Verwaltungsrat sorgte unter den Genossen für beträchtliche Unruhe. Nun hat man einen neuerlichen Bruderzwist rechtzeitig unterbinden wollen, ehe der kantonale Wahlkampf beginnt.