Domaine FL (Fournier Longchamps): Le Parc. Chenin Savennières AOC 2018. 14 %. Gerstl, Spreitenbach. Fr. 36.–. www.gerstl.ch

Sag nie entweder . . . oder, wenn’s um Wein geht. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Wer sich an fixe Vorstellungen hält, schmeckt vielleicht die eine oder andere Holznote (vom Wein oder vom Brett vor dem Kopf?) – Barrique oder nicht, reinsortige Weine oder Cuvées, bio oder traditionell, kein Wein über 30 Franken ( Fr. 50.–, Fr. 100.– etc.) oder keiner unter 15 Franken; nicht über 13 % Alkohol oder nicht weniger als 12 %; kein Tropfen mit einer Spur Restsüsse: Der Weinsekten sind unzählige, die Liste der Phobien wäre fortzusetzen. Sicher ist nur, dass sich Puristen und Prinzipienreiter, beim Wein wie sonst wo, allemal vor ihrem eigenen Glück stehen. Die Welt, auch die Welt des Weins, ist zu gross, als dass mit einem zentrierten Blick eine Ahnung von ihrer schönen Widersprüchlichkeit zu erlangen wäre.

Die Kolumne letzter Woche (Weltwoche Nr. 5/23) feierte das besonders glückliche Resultat einer internationalen Rebsorte auf einem eher unerwarteten Terroir, einen Cabernet von Elena Walch aus dem Südtirol. Jetzt ist die réussite aus einer Autochthonen zu empfehlen, ein toller Weisser aus seinem eigentlichen historischen Stammland. Die Chenin blanc trug einst sogar den Namen der Region, aus der diese erfreuliche Flasche kommt, «Vin d’Anjou». In Rabelais’ «Gargantua» (1532–54), worin von Wein viel und ausgelassen die Rede ist, trägt sie denn schon den heutigen. Der Chenin blanc, in welcher seiner vielen Varianten auch immer (ob als Süsswein oder, wie in diesem Fall, als besonders plausible trockene Offenbarung), ist die weisse Spezialität von der Loire. In jüngerer Zeit, lesen wir, sei die Sorte dort etwas auf dem Rückzug (im Gegensatz zu Sauvignon oder roten Sorten, namentlich Cabernet Franc). Was wir – diese Exzellenz im Glas – nur bedauern können (kaum getröstet durch den Umstand, dass Chenin im südafrikanischen Exil zur eigentlichen Hauptsorte avancierte).

Das junge Unternehmen «Domaine FL» (Fournier Longchamps) bewirtschaftet seit 2006 in der kleinen Unterappellation Savennières (am rechten Ufer der Loire, südwestlich von Angers) 31 Hektar. Der Chenin «Le Parc» kommt von Reben eben im Park des Château Chamboureau, das zum Besitz gehört. Er ist, in der Version 2018, ein Spitzen-Chenin: typisch mit Aromen von Honig, Äpfeln, Birnen und Heu, und sehr besonders mit Erinnerungen an gelbe Steinfrüchte, einem spannenden Touch Exotik und einem Hauch von Erde, Rauch und nassem Pflasterstein; sehr würzig, mit einer fast salzigen Mineralik vom vulkanischen, muschelkalkigen Terrain. Ein muskulöser, spannender Weisser. Der eher breite Fluss am Gaumen ist mit frischer Säure toll ausbalanciert. Ein Aufsteller mit tiefem Biss. Ein Glas davon macht schon fast den Tag.