Ich stamme aus einer reichen Familie und habe kürzlich auch einen sehr hohen Betrag geerbt. Mich plagt das schlechte Gewissen all jenen Leuten gegenüber, die für einen Hungerlohn täglich hart arbeiten gehen. Was hilft dagegen? Einen Teil des Geldes spenden oder verschenken? Anita F., Zug

 

Sie haben ein «schlechtes Gewissen all jenen Leuten gegenüber, die für einen Hungerlohn täglich hart arbeiten». Dies nur, weil Sie durch eine Erbschaft reich geworden sind? Warum denn das? Haben Sie denn diesen armen Leuten etwas angetan? Wären diese besser dran, wenn Sie nichts geerbt hätten? Aber wenn Sie etwas dagegen tun wollen, dass die von Ihnen bemitleideten Leute eine Besserung erfahren, dann gäbe es vielleicht Wege, um dies zu ändern. Vielleicht können Sie Ihr Geld in einem Unternehmen einsetzen, das diesen Leuten gute Löhne bezahlen kann. Das wäre dann sozial. Sie müssten dabei nicht einmal arm werden.

Aber wenn Ihnen das Spenden oder Verschenken Freude macht, dann tun Sie das. Nur: Sie werden vielleicht da und dort für den Augenblick etwas Not lindern oder etwas «Gutes» bewirken. Aber Ihre Leute mit den «Hungerlöhnen» werden deswegen noch keine besseren Löhne erhalten. Ihr Vorteil wäre lediglich, dass Sie Ihren Reichtum gespendet und verschenkt haben und Sie wenigstens kein schlechtes Gewissen mehr haben. Sie sind dann nicht mehr reich, aber Ihre Leute mit den «Hungerlöhnen» hätten immer noch «Hungerlöhne». Ich an Ihrer Stelle hätte aber erst jetzt ein schlechtes Gewissen, weil ich das ererbte Vermögen gespendet und verschenkt statt in Sinnvolleres investiert hätte – nämlich in Unternehmen, die gute Löhne bezahlen! Aber wer heute spendet und schenkt, gilt ja als «guter» Mensch. Wer das Geld ins Unternehmen steckt, das den Werktätigen hilft, wird selbst nicht arm und darum wohl gemäss all den «Moralisten» böse. Entscheiden Sie selbst und tun Sie, was Ihnen Freude bereitet.

 

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