Wer den Schweizer Caravan-Profi persönlich kennenlernen will, fährt vorbei an der Burgruine Bärenfels durchs berüchtigte Nadelöhr bis Aesch-Duggingen im Kanton Basel-Landschaft. Da, wo sich die Birs und der berüchtigte Stossverkehr durch die enge Klus der Jurakette zwängen, eröffnet sich linker Hand plötzlich das 18 000 Quadratmeter grosse Gelände der Chapuy Caravaning AG. Über hundert neue und gebrauchte Wohnwagen und Reisemobile stehen hier zum Kauf oder zum Mieten bereit. Vom kleinsten Kult-Wohnwagen bis hin zum luxuriösen Mobilehome ist alles zu bewundern, was die Branche für mobile Individualisten zu bieten hat.

Pionier Peter Chapuy, siebzig, sportlich-braungebrannt und mit Schnurrbart, ist wie immer in seinem Element. Schnell noch begrüsst er beim Ausgang eine langjährige Kundin, dann muss er unbedingt einen Telefonanruf erledigen, und kaum scheint er bereit zum Interview, wird er doch noch vom Werkstattchef mit einem dringenden Anliegen abgefangen. Wir warten derweil im Sitzungszimmer des verwinkelten Bürocontainers, eines ehemaligen Vereinslokals des lokalen Polizei-Tennisklubs – ein Bienenhaus mit emsigen Angestellten an der Empfangstheke, hinter Computern oder am Telefonhörer.

Im Jahr 1978 übernahm Peter Chapuy die kleine Autogarage seines Vaters in Dornach und stellte diese komplett auf Caravaning um. Heute beschäftigt das Unternehmen 28 Teil- und Vollzeitmitarbeiter in Büro und Werkstatt. Es ist der grösste Schweizer Anbieter für Tabbert-Wohnwagen und vertritt ebenfalls die Marken Kabe, Bürstner, Knaus und Weinsberg. Chapuy ist seit 1984 Mitglied im Vorstand des Schweizerischen Caravangewerbe-Verbands (SCGV). Endlich hat er Zeit, und die Sekretärin bringt einen Café crème.

Weltwoche: Herr Chapuy, Sie sind mit siebzig noch voll auf Trab, topfit und motiviert. Wie machen Sie das?

Peter Chapuy: Jeden Morgen um 4.23 Uhr geht mein Wecker. Dann bin ich eine Stunde auf dem Mountainbike, bei jedem Wetter, ob es regnet oder schneit. Das sind 440 Höhenmeter und 17,5 Kilometer – im Jahr kommen so über 5500 Kilometer zusammen. Natürlich habe ich kein E-Bike, damit das klar ist! So startet mein Tag, ich fühle mich gut, denke nach und ordne meine Gedanken.

Weltwoche: Wie kamen Sie zum Camping?

Chapuy: 1964, als Zwölfjähriger, war ich mit meinen Eltern in England in den Ferien. Da sah ich zum ersten Mal einen Wohnwagen und verliebte mich sofort. Es machte klick, und ich wusste, was ich in meinem Leben machen will. Ich überredete meinen Vater, einen «Sprite Alpine»-Wohnwagen zu importieren. Seither lässt mich der Traum von der Freiheit auf Rädern nicht mehr los. Das ist meine Berufung, mein Lebensinhalt.

Weltwoche: Welche Bedeutung hatte Camping Anfang der sechziger Jahre?

Chapuy: Es war in der Schweiz praktisch unbekannt, auf der Insel und in den Niederlanden aber bereits recht populär. Mitte der 1960er waren wir in der Schweiz Pioniere auf dem Gebiet.

Weltwoche: Was waren das für Leute, die mit dem Wohnwagen unterwegs waren? Aussteiger und Hippies?

«Ich habe viele Kunden, von denen man niemals denken würde, dass sie begeisterte Camper sind.»

Chapuy: Nein, damals war Camping ein Hobby für die einfachen Leute, die sich kein Hotel leisten konnten. Man hatte einen Opel Rekord mit 65 PS, und auf der Fahrt in den Süden keuchte man über den Gotthardpass. Aber man konnte trotzdem wunderschöne Ferien verbringen! Heute ist es umgekehrt: Die einfachen Leute buchen billige Pauschalreisen mit dem Flugzeug nach Mallorca, Tunesien oder in die Türkei. Wer es exklusiver mag, entscheidet sich für einen gut ausgestatteten Wohnwagen oder für ein luxuriöses Wohnmobil. Heute habe ich ein Ehepaar mit zwei Kindern, die wählen einen sieben Meter langen Wohnwagen mit separatem Zimmer, Küche, Dusche und WC und stellen davor einen VW Tuareg. Solcher Komfort war vor fünfzig Jahren unvorstellbar.

Weltwoche: Wie beschreiben Sie den typischen «Wohnwägeler»?

Chapuy: Den gibt es nicht. Ich will jetzt nicht über Namen reden, aber ich habe viele Kunden, von denen man niemals denken würde, dass sie begeisterte Camper sind. Das sind erfolgreiche, teils prominente Leute. Manche kennt man nur in Anzug und Krawatte. Doch wenn sie bei mir ihren Wohnwagen abholen, dann kommen sie locker im T-Shirt und in kurzen Hosen.

Weltwoche: Das Luxus-Wohnmobil als Alternative zur Jacht?

Chapuy: Das kann man so sagen. Nach oben gibt es keine Grenzen, was Ausstattung, Komfort und Kaufpreis betrifft. Es gibt Modelle mit Dachterrasse, Spa-Bereich und «Slide-out»-Technik, mit der sich der Wohnraum per Knopfdruck vergrössern lässt.

Weltwoche: Wohnwagen oder Wohnmobil? Welches ist Ihr Favorit auf Reisen?

Chapuy: Mein Herz schlägt ganz klar für Wohnwagen. Aber ich kann die Leute auch für ein Wohnmobil begeistern, wenn es passt.

Weltwoche: Wie entscheidet man sich für das richtige Gefährt?

Chapuy: Die meisten Kunden haben am Anfang keine genaue Vorstellung – sie möchten einfach Camping machen. Im Gespräch versuche ich mehr über die Wünsche und Gewohnheiten herauszufinden. Da wird es oft ganz persönlich. So erfahre ich zum Beispiel, ob der Mann nachts schnarcht, ob man auf engstem Raum zusammen zurechtkommt oder ob Nachwuchs geplant ist. Dann achte ich noch darauf, welches Auto sie fahren und wie sie sich kleiden. Dann weiss ich in etwa, welchen Stil sie bevorzugen. Fast immer liege ich richtig mit meiner Beurteilung. Sie werden es nicht glauben, aber ich habe Familien, die bereits in der fünften Generation meine Kunden sind!

Weltwoche: Wie läuft aktuell das Geschäft?

«In den 1970er Jahren reiste ich durch die Türkei, Marokko und quer durch die Wüste.»

Chapuy: Ich kann nicht klagen. Letztes Jahr war für mich sogar ein Rekordjahr: Ich allein habe 186 Fahrzeuge verkauft, fast die Hälfte in der ganzen Firma.

Weltwoche: Corona hat einen wahren Camping-Boom ausgelöst. Wohnmobile waren ausverkauft, Campingplätze ausgebucht. Wie haben Sie das erlebt?

Chapuy: Die Nachfrage stieg sprunghaft an. Ich hatte eigentlich erwartet, dass es uns nach der Pandemie ausbremst. Doch ich bin überrascht: Scheinbar finden die Leute nachhaltig Gefallen an der Unabhängigkeit auf Rädern. Wir haben wenig Rückläufe, die meisten bleiben dabei. Das Campen scheint den Nerv der Zeit getroffen zu haben.

Weltwoche: Welche Voraussetzungen muss man für einen Wohnwagen mitbringen?

Chapuy: Man sollte schon ein Flair haben fürs Autofahren. Wer noch nie mit einem Gespann unterwegs war, dem empfehle ich einen Fahrkurs. Das Manövrieren mit einem Anhänger wird oft unterschätzt, auch gibt es spezielle Regeln, die man beachten muss.

Weltwoche: Elektroautos werden immer mehr zum Thema. Was bedeutet das fürs Caravaning?

Chapuy: Punkto Leistung können E-Autos nicht mit einem Fossilverbrenner mithalten. Das heisst, man wird Abstriche beim Komfort machen müssen. Doch es laufen bereits Projekte für Wohnwagen, die über einen eigenen Elektromotor verfügen und sich selber antreiben. Wann so etwas realisiert wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Weltwoche: Was denken Sie über Luxus-Camping, das «Glamping»?

Chapuy: Das ist definitiv nichts für mich. Ich persönlich brauche keinen Fünf-Sterne-Campingplatz, um glücklich zu sein. Ich habe ja schon ein schönes Haus, zudem ein Ferienhaus in Spanien und eine tolle Wohnung in Pontresina. Wenn ich Camping mache, dann reise ich ursprünglich und bescheiden, dann bin ich am liebsten draussen in der Natur.

Weltwoche: Welches war Ihr schönstes Reiseerlebnis?

Chapuy: Es ist jedes Mal speziell, egal wo und bei jedem Wetter. Ich erinnere mich an meine ersten Winterferien im Bündnerland. Vor 1975 gab es im ganzen Oberengadin keinen einzigen Campingplatz, und es gab noch richtige Winter mit Temperaturen von bis zu minus 35 Grad. Ich hatte einen winzigen Wohnwagen mit einem Petroleumofen, solche Ferien sind unvergesslich. In den 1970er Jahren reiste ich durch die Türkei, Marokko und quer durch die Wüste. Am Abend übernachtete ich in einer Oase und lernte Einheimische kennen. Heute hat es überall Autobahnen, an jeder Ecke Ikea oder Aldi und Plätze mit einer Infrastruktur wie zu Hause . . .

Weltwoche: Im Moment erleben wir unsichere Zeiten. Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?

Chapuy: Am schlimmsten traf uns die Ölkrise 1973. Sonntagsfahrverbot, Geschwindigkeitsbegrenzungen – geschäftlich ging gar nichts mehr. Würden die Menschen heute so panisch reagieren wie damals, dann gäbe es uns jetzt nicht mehr. Heute ist man gelassener; Corona, Energiekrise und Krieg machen mir keine Angst. Das kommt schon gut, das ist alles nur Politik.

Suisse Caravan Salon 2022: 27. bis 31. Oktober auf dem Bernexpo-Gelände in Bern. www.suissecaravansalon.ch