Ein Gespräch mit Franz Josef Wagner, dem «Gossen-Goethe» (Frankfurter Allgemeine Zeitung), über das Ende der Harald-Schmidt-Show.

«Lieber Harald Schmidt», schreiben Sie in Ihrer Kolumne «Post von Wagner», «Sie hören nun auf. Ich denke, ich muss dann auch aufhören. Ohne Sie habe ich keinen Bock mehr in Deutschland.» Also, hören Sie auch auf?
In der ersten Trauer sagt man viel.

Was werden Sie vermissen, wenn Harald Schmidt nicht mehr auf Sendung ist?
Ohne Harald Schmidt weiss ich nicht so recht, wieso ich um 23 Uhr aus meiner Berliner Kneipe nach Hause gehen sollte. Damit geht’s los. Er hat die erfrischende Wirkung eines bitteren Drinks. Man ist fröhlich ins Bett gegangen – zumindest ein bisschen fröhlicher, als man aufgestanden ist. Harald Schmidt hat mehr gutgelaunten Geschlechtsverkehr in deutschen Schlafzimmern verursacht als Beate Uhse. Dafür sollten wir ihm dankbar sein.

Wie konnte es überhaupt zum Ende der Show kommen? Wer ist schuld?
Wie bei einem Flugzeugabsturz gibt es mehrere Gründe. Harald Schmidt hat diese Show nun acht Jahre lang gemacht und ist damit schon oberhalb der Baumgrenze, also hoch in den Bergen, wo keine Bäume mehr in den Himmel wachsen...

...Sie glauben doch nicht im Ernst an das Märchen von der «Denkpause»?
Nein, aber vielleicht kommt ihm das Ganze auch ein bisschen gelegen. Der zweite, wichtigere Grund: Er hat es nicht mehr nötig, eine Mediennutte zu sein. Ausschlaggebend war die Entlassung von Sat-1-Chef Martin Hoffmann. Der Mann wurde rabiat rausgeschmissen, so als hätte er goldene Löffel gestohlen. Dabei war er ein erfolgreicher Fernsehmacher. Das störte Schmidt, die beiden sind Freunde. Er solidarisierte sich mit Hoffmann.

So viel Rückgrat gibt es selten in diesem Geschäft.
Richtig. Das Rückgrat ist allerdings ein Rückgrat aus Gold, das muss man schon sagen. Schmidt ist reich, er kann sich Zivilcourage leisten. Im Gegensatz zu uns, die wir viel runterschlucken müssen, weil wir unsere Hypotheken, unsere Alimente usw. bezahlen müssen. Aber, klar, Harald Schmidt hat sich das Geld weiss Gott verdient. Er hat sich in seiner Show nicht bloss ein bisschen aus dem Fenster gelehnt, er hat sich jede Nacht aus dem Fenster gestürzt. Das hat seinen Preis.

Zurzeit veräppelt er besonders gern den Schweizer Roger Schawinski, Hoffmanns Nachfolger. Kennen Sie den eigentlich?
Nein, ich habe keine Vorstellung von ihm.

Herr Schawinski hat den Sendeplatz für andere Talente ausgeschrieben. Wer wagt es, in Schmidts Fussstapfen zu treten?
Keiner. Er ist ein Unikum. Die Stefan Raabs sind ja behaftet mit dem Humor eines Sechsjährigen. Harald Schmidt dagegen ist weise. Er sagt: Was soll ich über Gott erzählen, ich weiss ja noch nicht mal, wie der Toaster funktioniert. Er ist unser Woody Allen. Er ist ein Satyr. Dem Land wird sein bissiger Esprit fehlen.

Wie geht’s jetzt weiter?
Es ist natürlich ein Desaster, wenn die Galionsfigur des Senders, Harald Schmidt, der freie Geist, sich verweigert. Das macht es dem – wie immer er auch heisst...

Roger Schawinski.
...nicht leicht. Die Intellektuellen werden ganz scharf hingucken, was er aus dem Sender macht. Ja, wie geht’s weiter? Ich glaube, auch Schmidt kann nicht mehr in die eigenen Fussstapfen treten. Schluss ist Schluss. Er muss mit einem neuen Format zurückkommen. Die Show, so wie wir sie kennen, ist zu Ende. Das Buch ist ausgelesen.

Die Schweizer haben Harald Schmidt auf dem Gewissen.
Wieso «die»?

Da ist doch auch noch Urs Rohner, der Oberste bei Pro 7/Sat 1.
Stimmt. Also: Im Gegenzug sollten alle deutschen Millionäre mit Humor ihr Geld aus der Schweiz rausnehmen. Aber das geschieht nicht, weil die deutschen Millionäre keinen Humor haben.

Was wünschen Sie Harald Schmidt persönlich?
Keinesfalls, dass er seine Memoiren schreibt. Im Ernst, die Pause wird ihm nicht nur Spass bereiten. Sie ist ein zweischneidiges Schwert. Er, der jeden Tag geredet hat, muss erkennen, dass er plötzlich jeden Tag stumm ist. Das ist bitter. Aber Harald Schmidt ist ein Genie, er wird uns überraschen.

Franz Josef Wagner, 60, war neun Jahre Chefredaktor der Zeitschrift Bunte. Seit 2000 ist er Chefkolumnist der Bild-Zeitung. Beide, Wagner und Harald Schmidt, wurden im vergangenen Jahr mit der «Goldenen Feder» ausgezeichnet – der eine für seine Kult-Kolumne «Post von Wagner», der andere für die Pointen in seiner Show.