«Nein, nein. Nicht neben, sondern anstelle von Angus Young!» Roger Federer lacht vergnügt, mein verblüfftes Gesicht scheint seine Erheiterung noch zu verstärken. Es ist der zweitletzte Abend des Tennisturniers von Dubai. Vor anderthalb Stunden hat Federer das Halbfinale gegen den Deutschen Tommy Haas gewonnen. Nun sitzen wir in der Players’ Lounge im schicken «Aviation Club», trinken 7up aus der Dose und unterhalten uns vor allem nicht über Tennis. «Ich mag es, über andere Themen zu sprechen», sagte er mir bei unserer ersten Begegnung Anfang der Woche. «Über meine Vorhand habe ich schon hunderttausendmal geredet.»

Darum die Frage nach seinem Bubentraum. Einem lokalen Ausgehmagazin hatte er verraten, dass er einmal mit einer Rockband auftreten möchte.

Und jetzt will man wissen, mit welcher.

Mit AC/DC, die hat er schon zweimal live gesehen.

Seite an Seite mit dem legendären Leadgitarristen Angus Young?

Nein, alleine als Frontmann. «Ist doch irgendwie logisch, in meinem Fall.»

Womit ein erstes Missverständnis geklärt wäre. Roger Federer ist nicht bescheiden. Als Fünfzehnjähriger musste er im Tennisinternat im Waadtländer Ecublens seine sportlichen Ziele auf ein Blatt Papier schreiben. Die anderen notierten Dinge wie «Berufsspieler werden» oder «Unter die ersten hundert der Weltrangliste vorstossen». Roger Federer schrieb: «In die Top Ten kommen und dann die Nummer eins werden».

Tatsächlich sind sein Wunsch, sich ständig zu verbessern, und die Sehnsucht, die Konkurrenz zu dominieren, so gross, dass selbst Boris Becker, die Fleisch gewordene Metapher deutscher Siegertugenden, sich allmählich darüber wundert. Becker rief mich aus Strassburg an, wo er einen Schaukampf gegen den Franzosen Henri Leconte bestritten hatte. «Es ist jetzt das vierte Jahr in Folge, wo Roger nahezu perfekt spielt, und er wird immer noch nicht müde zu gewinnen», sagte er. «Ich war viermal hintereinander im Wimbledon-Finale. Irgendwann begann mich das schlicht und einfach zu langweilen.»

Von den Journalisten wird Federer oft auf dieses Thema angesprochen. Ob er, der nun seit drei Jahren und acht Wochen ununterbrochen die Nummer eins im Welttennis ist, der von seinen letzten 272 Partien lächerliche 15 verloren hat (rund jede zwanzigste), der in seiner Karriere über siebzig Auszeichnungen erhalten hat (darunter zweimal in Folge den Laureus-Award, den Oscar des Sports), der 2007 schon nach wenigen Wochen über eine Million Dollar Preisgeld gewonnen hat und bereits wieder für den Masters Cup, das Jahresendturnier der acht Besten, qualifiziert ist – ob er seiner ganzen Erfolge nicht überdrüssig wird, nie die Motivation verliert, die Freude am Siegen?

«Fede-lel!, Fedel-el!»

Wer war dieses rigoros ehrgeizige und zugleich so heitere Sportgenie? Vielleicht würde sich hier in Dubai eine Antwort finden lassen, wo Federer ein Appartement besitzt und sich Anfang März daranmachte, das 47. Tennisturnier seiner Profikarriere zu gewinnen, bevor er vor zehn Tagen in Indian Wells ausnahmsweise wieder einmal eine Partie verlieren sollte.

Die Worte des Platzsprechers waren schlicht, aber effektvoll. In seinem wohltemperierten BBC-Englisch (Sport scheint in den Arabischen Emiraten eine ziemlich britische Angelegenheit zu sein) sagte er: «Ladies und Gentlemen, einen warmen Applaus für den Superstar des Tennis. Roger Federer.»

Ein paar Sitzreihen weiter unten schwenkte eine Inderin im Sari ein Schweizer Fähnchen. Teenager in Trägerleibchen kreischten, als seien sie an einem Robbie-Williams-Konzert. Ein älterer Herr hielt eine selbstgemalte Kartontafel in die Höhe, die mit arabischen Lettern und einem weissen Kreuz auf rotem Hintergrund versehen war. Ein kleines Mädchen, wahrscheinlich aus Japan, quiekte: «Fede-lel!, Fedel-el!»

«Ziemlich populär, unser Schweizer», sagte ich zu dem Kollegen neben mir, einem libanesischen Agenturjournalisten mit den Ausmassen einer reifen Bauchtänzerin. «Federer gleich Tennis», brummte dieser zurück. Schon am Vortag, bei der feierlichen Auslosung der Erstrundenpartien, war mir aufgefallen, wie allgegenwärtig «Fed», wie sie ihn hier nannten, selbst in seiner Abwesenheit war. Zu jenem Zeitpunkt befand er sich auf Einladung des Turniersponsors auf einem Helikopterrundflug über Dubai, dieser aseptischen Mischung aus Shoppingparadies, Grossbaustelle, Sanddüne und Stadtautobahn.

Selbst mit dem Spanier Rafael Nadal – zweitbester Tennisspieler der Gegenwart, immerhin – wollten die Journalisten immer nur über das eine reden: Freuen Sie sich auf ein mögliches Finale gegen FEDERER? Glauben Sie, FEDERER in diesem Jahr herausfordern zu können? Wie frustrierend ist es, einen FEDERER als Konkurrenten zu haben?

Sein erster Gegner war ein Däne namens Kristian Pless. Schon während des Einspielens ging ein Raunen durchs Stadion, weil «Fed» einen Ball mit derart viel Drall übers Netz spielte, als handle es sich um Tischtennis. Die Menge, realisierte ich, war in fiebriger Erwartung von Zauberschlägen und Kunststückchen. Man hätte meinen können, nicht ein Sportler bereite sich auf seinen Auftritt vor, sondern ein Feuerschlucker oder David Copperfield.

Für einen Laien wie mich war der Däne eine völlig unbekannte Figur. Wie vermutlich die meisten im Stadion erwartete ich eine Art Scheinkampf zwischen einem Meister und einem Stümper. Nun, der Däne servierte Asse mit 210 Stundenkilometern. Das ist etwa so schnell wie ein Rennmotorrad der 125er-Klasse auf der Zielgeraden. Es entwickelte sich ein unerwartet spannendes Match, in dem Federer nur ein einziges Break gelang. Das reichte zwar für den Sieg, aber jetzt verstand ich besser.

Phänomenal pflichtbewusst

Bei einem Gespräch zwei Tage zuvor hatte ich von Federer wissen wollen, ob er sich über einen Gegner wie diesen Dänen überhaupt noch Gedanken mache. Es folgte ein wasserfallartiger Vortrag über die beeindruckenden Stärken seines Widersachers zu Juniorenzeiten, das erhebliche Problem, dessen aktuelle Spielweise nicht genau zu kennen, die generelle Schwierigkeit von Erstrundenpartien und das nicht zu unterschätzende Handicap einer mehrwöchigen Wettkampfpause.

Zunächst hielt ich das für den Kniff eines Dauersiegers, sich einzureden, dass er sich weiterhin Mühe geben muss. Doch nach diesem Match realisierte ich, dass mehr dahintersteckte als ein bisschen Autosuggestion. Heinz Günthardt, Mitte der achtziger Jahre bestklassierter Schweizer Tennisspieler, später Coach von Steffi Graf und heute Fernsehkommentator, formuliert es so: «Die Konkurrenz im Herrentennis war noch nie so breit und so gut trainiert. Selbst ein Topspieler riskiert, von der Nummer 67 oder 81 bezwungen zu werden, wenn er nicht vollkommen auf seine Aufgabe fokussiert ist.»

Jene erste Unterhaltung mit Federer trug sich am Privatstrand eines der zahllosen Fünfsternehotels Dubais zu, wo er dem Schweizer Fernsehen in den Sonnenuntergang hinein ein kurzes Interview gab und anschliessend eine Grussbotschaft aufnahm für einen Wohltätigkeitsanlass zugunsten seines Kinderhilfsprojektes in Südafrika. Die Freundin Mirka Vavrinec, früher selber Berufsspielerin, war auch dabei (wie fast immer und überall, seit die beiden vor acht Jahren an den Olympischen Spielen von Sydney ein Paar geworden sind), zudem zwei alte Tennisfreunde, Yves Allegro und Reto Staubli, samt Begleitung.

Die Gruppe lachte viel und blödelte herum; sie erinnerte an eine aufgeräumte Clique junger Leute, die im Ausgehviertel einer Stadt um die Häuser zieht. Die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als Federer beim Aufsagen der Grussbotschaft – er sass auf einem Stuhl und hielt ein Mikrofon in der Hand – zweimal hintereinander die Vornamen der Organisatoren durcheinanderbrachte. Freundin Mirka eilte zu ihm hin und fragte fürsorglich: «Bebele, soll ich dir den Text nicht lieber aufschreiben?» Halb im Scherz, halb im Ernst antwortete der zweifache Weltsportler des Jahres: «Fort jetzt mit euch. Wenn ihr mir alle zuschaut, bin ich zu stark unter Druck.»

Anschliessend kam er auf mich zu, bot sofort das Du an und sagte, ich solle lieber gleich ein paar Fragen stellen. Er wisse nicht, ob im Verlauf der Woche nochmals die Zeit dafür sei. Womit sich auch mir sein phänomenal zuvorkommendes und pflichtbewusstes Wesen offenbarte, das Journalisten aus aller Welt entzückt.

In der zweiten Runde spielte er gegen einen Italiener. Der schlug noch schneller auf als der Däne. Dafür nahm er sich zwischen den Ballwechseln viel Zeit, um sich die Hände mit einem Frotteetuch abzutrocknen und die Saiten seines Rackets zurechtzuzupfen. Irgendwann wurde er deswegen verwarnt, was die Fachkollegen neben mir ein wenig übertrieben fanden. Später an der Pressekonferenz sagte Federer, er habe den Schiedsrichter zuvor lediglich gebeten, seinen Gegner zu etwas mehr Eile aufzufordern. «Als er dann sofort eine Verwarnung aussprach, hatte ich fast ein wenig ein schlechtes Gewissen.»

An einer anderen Pressekonferenz – die Spieler sind verpflichtet, sich nach jedem Match für einige Minuten den Journalisten zur Verfügung zu stellen – erzählte Federer beiläufig, dass «Etienne» ihn angerufen habe, um sich bei ihm zu entschuldigen. Etienne de Villiers ist der Chef der ATP, der Vereinigung der Profispieler. Gegen den Widerstand Federers hatte der ehemalige Walt-Disney-Manager verfügt, beim Turnier von Las Vegas den bewährten K.o.-Modus zu ändern. Der wenig durchdachte Versuch endete im Chaos. Mit eisiger Stimme sagte Federer, «die Integrität des Sports» stehe auf dem Spiel, und er sei froh, dass sich de Villiers jetzt «die Finger verbrannt» habe. So redet man nicht über seinen Chef. Ausser man ist ihn in Wahrheit selber.

Nach einer Stunde und 21 Minuten weitgehend normalen Tennissports verwandelte sich der Centre-Court von Dubai doch noch in eine Manege. Federer rückte ans Netz vor, der Italiener spielte von rechts hinten einen Lob, diagonal über den ganzen Platz, genau auf die Grundlinie, einfach perfekt. Federer sprintete hinterher und schlug, mit dem Rücken zum Netz, zwischen den Beinen hindurch einen Passierball. Der «Hot Dog», wie der Schlag im Branchenjargon heisst, sei für ihn das Pendant zum Fallrückzieher im Fussball, sagte Federer später. Das Publikum tobte, Federer blickte lächelnd zur Grossleinwand hoch, der Italiener kniete wie ein Knappe vor ihm nieder und zog den imaginären Hut als Reverenz an den Virtuosen. Wenig später war Schluss (für den Italiener).

«Von einem anderen Stern»

Am nächsten Morgen telefonierte ich mit Stefan Edberg. Der sechsfache Grand-Slam-Sieger und frühere Weltranglisten-Erste, der als Spieler seiner tadellosen Manieren wegen den Übernamen «Nettberg» trug, lebt heute im Universitätsstädtchen Växjö in Südschweden. Er besitzt eine Kapitalanlagegesellschaft für Berufssportler und betreibt zudem ein wenig Forstwirtschaft. Ich fragte Edberg – neben Boris Becker das grosse Jugendidol Federers –, ob dieser der beste Tennisspieler aller Zeiten sei. Mit vollendeter skandinavischer Zurückhaltung antwortete er: «Früher pflegte ich zu sagen, Pete Sampras sei der beste. Er beherrschte jeden Schlag. Aber Roger ist einfach bemerkenswert. Er scheint bereits in der gleichen Liga zu sein, dabei ist er erst 25. Wenn er gesund bleibt und den Spass am Tennis nicht verliert, ist es gut möglich, dass er als einer der Grössten in die Geschichte der Sportart eingehen wird.»

Am Nachmittag setzte ich mich auf die Tribüne und schaute einer Doppelpartie zu. Ich dachte zurück an die theatralische Geste der Ehrerbietung des Italieners. Er war längst nicht der Erste, der etwas in dieser Art getan hatte. Man könnte so weit gehen zu behaupten, im modernen Tennis sei die Nummer «Ich verneige mich vor Roger Federer» schon fast zu einem eigenen Genre geworden. Selbst Rafael Nadal, ansonsten nicht bekannt für die locker-selbstironische Tour, meinte kürzlich: «Kampf um die Nummer eins? Ich bin doch schon der beste Tennisspieler auf Erden – Roger ist schliesslich von einem anderen Stern.»

Es gibt ein paar alte Grössen, die sich, bei aller Hochachtung für Federer, an dieser Unterwürfigkeit stossen. John McEnroe, der Agent provocateur der Sportart, schrieb neulich, die Gegner seien zu nett zu ihm, sie müssten einen Weg finden, «Federer zu hassen». Und Mats Wilander (sieben Grand-Slam-Titel) meinte gegenüber einem schwedischen Journalisten, Typen wie Jimmy Connors oder McEnroe wären dem Schweizer «in den Kopf gedrungen». Heute hingegen sehe man Spieler, die nach einer Niederlage gegen ihn ins Publikum winkten. «Zu meiner Zeit», versicherte mir Boris Becker, «hätte es das nicht gegeben.»

Ein idealer Gesprächspartner für dieses Thema schien mir Brad Gilbert zu sein. Er ist einer der erfolgreichsten Tennistrainer der Gegenwart. Derzeit betreut er das schottische Grosstalent Andy Murray, davor arbeitete er mit Andy Roddick und Andre Agassi. Vor einigen Jahren hat Gilbert ein bezauberndes kleines Buch geschrieben. Es heisst «Winning Ugly. Wie man bessere Gegner schlägt». Das Werk ist ein Branchenklassiker, den auch Federer gelesen hat. Darin schildert Gilbert genüsslich, wie er es 1987 schaffte, den hochüberlegenen Boris Becker nach einem Null-zu-zwei-Satzrückstand derart zu entnerven, dass er ihn noch bezwang. «Als er anfing, auf Deutsch zu schimpfen, wusste ich: Jetzt hast du wieder eine Chance.»

Ich erreichte Gilbert in einem Hotel in Las Vegas, wo sein Zögling Andy Murray ein Turnier bestritt. Der Anfang des Gesprächs verlief vielversprechend. Ich eröffnete ihm, dass ich nicht viel von Tennis verstünde. «Wieso schreiben Sie dann darüber?», raunzte er mich an. Doch als wir zur Sache kamen, wurde er erstaunlich zahm. Er erklärte mehr oder weniger, dass es Zeitverschwendung sei, Federer mit Worten, Gesten, Psychospielchen oder strategischen Überlegungen aus dem Konzept bringen zu wollen. «Mittlerweile verfügt er über eine innere Ruhe, die mich stark an Björn Borg erinnert. Und er gehört zu dieser ganz raren Spezies von Sportlern, die besser werden, je mehr man sie herausfordert, und die es richtig geniessen, zuoberst zu stehen und zu bleiben.» – «Menschen, auf die Erfolgsdruck entspannend wirkt?» – «Exakt.»

«Psychologisch bereits im Vorteil»

«Björn Borg, erkennen Sie sich in Federer wieder?» Obwohl es geheissen hatte, die legendärste aller Tennislegenden gebe nur ungern Interviews, entwickelte sich ein überaus unkompliziertes Telefongespräch. Borg, der in dritter Ehe in Stockholm lebt, eine eigene Kleiderlinie besitzt, noch immer regelmässig Tennis spielt und ein paar schwedische Junioren betreut, hatte eine angenehme Stimme und schien gänzlich frei von Allüren. Die Konversation führte er weitgehend von der Grundlinie aus, mit Aussagen wie «Jede Zeit hat ihren eigenen Champion» oder «Es gibt so viele gute Spieler heute, aber Roger ist einfach besser».

Er sehe sehr wohl Ähnlichkeiten zwischen sich und Federer, sagte er. Und er sprach davon, dass es die Dinge manchmal vereinfache, wenn man der Beste sei und alle einen besiegen wollten. «In dem Moment, wo du den Platz betrittst, bist du psychologisch bereits im Vorteil. Dein Gegner sagt sich, wenn ich gewinnen will, muss ich heute etwas ganz Besonderes probieren und das Match meines Lebens spielen.» Er hingegen habe jedes Spiel und sogar jeden Punkt gleich behandelt und sich keinerlei Gedanken darüber gemacht, ob er jetzt dies oder das tun müsse oder jenes zu unterlassen habe. Er sei überzeugt, dass «Roger die Sache genau gleich angeht».

«Ein wenig Zeit für die Fans»

Bei einem Besuch in Federers Elternhaus in Bottmingen BL hatte mir der Vater erzählt, Borg sei, ganz ähnlich wie sein Sohn, als Junior ziemlich ungezogen gewesen. Darauf angesprochen, lachte Borg und sagte: «Oh ja, als ich zwölf, dreizehn Jahre alt war, habe ich auf dem Tennisplatz herumgetobt, geflucht und gemogelt. Irgendwann wurde es so schlimm, dass mein Verein mich für ein halbes Jahr suspendierte.» Ich wollte von dem Mann, den die Fans «Iceborg» nannten, wissen, wie man es schaffe, sich derart in den Griff zu bekommen. Das sei ein jahrelanger Prozess der Selbstfindung und des Sammelns von Erfahrungen. Mit der Zeit entwickle man sozusagen Übung im Gewinnen, «und du weisst in jeder Situation exakt, welches Verhalten zum Erfolg führt».

Aber war es denn wirklich möglich, sich eine solche Coolness anzutrainieren? Gewissermassen das eigene Wesen umzupolen? «Nun», antwortete Björn Borg lakonisch, «wenn du der Beste werden willst, bleibt dir nichts anderes übrig.»

In der dritten Runde spielte Federer gegen einen Serben namens Novak Djokovic, neunzehn Jahre jung und ein richtig grosses Talent. Der Serbe war gut und Federer besser als an den Tagen davor, so dass diesmal mehr Wettkampfatmosphäre als Zirkusstimmung im Stadion herrschte. Wenn sich Federer streckte, um die harten Passierbälle des 1 Meter 90 grossen Serben zu erreichen, erinnerte er an einen Fussballtorwart, der aus dem Stand blitzschnell in die Ecke schnellt – mit dem Unterschied, dass Federer jeweils auf den Füssen zu stehen kam. Eine Art Becker-Hecht ohne Bauchlandung.

Darauf angesprochen, gestand Boris Becker: «Ich musste mich ab und zu hinlegen, weil meine Beine nicht so schnell waren wie die von Roger.» – «Aber die Wirkung, die er erzielt», fragte ich ungläubig nach, «ist dieselbe?» – «Ja. Die Beweglichkeit ist ohnehin eine seiner ganz grossen Stärken. Roger gerät nie aus der Balance und bewegt sich leichtfüssig wie ein Tänzer.»

Zum Erstaunen der Zuschauer konnte der junge Serbe zwei Matchbälle abwehren und den zweiten Satz im Tiebreak für sich entscheiden. Der Rest der Partie verlief wieder normal, also eher einseitig. Am lautesten wurde es auf den Rängen, als Federer in einer Pause sein verschwitztes Trikot auszog, um sich ein frisches überzustreifen. Dem Gekreische nach mussten Tausende verliebter Mädchen im Stadion sein. Vom Platzsprecher beim Siegerinterview darauf angesprochen, sagte er: «Nadal hat das gestern auch gemacht. Aber anscheinend gefällt dem Publikum mein Body besser.»

Keine fünf Minuten nach dem zweistündigen Match machte er sich auf den Weg zur Pressekonferenz. Danach, etwa gegen halb zehn Uhr abends, würde er Autogramme schreiben und in Handykameras lächeln, sich «ein wenig Zeit für die Fans nehmen», wie er zu sagen pflegt. Anschliessend würde er mit seinem Freund Yves Allegro auf einem Nebenplatz noch zum Doppel antreten, um sich danach – von zentraler Bedeutung in dieser die Bänder und Gelenke malträtierenden Sportart – während einer Stunde dem Stretching und der Massage zu widmen. Darauf würde er in der Umkleidekabine bereits wieder Autogramme geben müssen, weil sich dort auch Members des «Aviation Club» aufhielten.

Lange nach Mitternacht würde er sich mit der Freundin in seinen weissen SUV setzen und zu dem zwanzig Autominuten entfernten Siebensternehotel «Burj al-Arab» fahren, wo er, trotz eigenem Appartement, für die Dauer des Turniers wohnte. (Das eigene Heim suggeriert Freizeit und Müssiggang; ein fremdes Bett erinnert ihn daran, dass er einen Job zu erledigen hat.) Kurz vor ein Uhr nachts würde er seine Suite betreten, wo das Essen, das die Freundin vor der Abfahrt per Mobiltelefon bestellt hatte, schon bereitstand. Irgendwann nach zwei würde er sich ins Bett legen und hoffen, dass er nicht wieder bis zum Morgengrauen wach bliebe.

Instinktsicher und unsentimental

Doch zuerst warteten zwei Dutzend Journalisten mit ihren Fragen auf ihn. Federer war fröhlich, entspannt und präsent, als gebe es kein Vorher und kein Nachher. Sobald ihm das Publikum nicht mehr zujuble, scherzte er auf Englisch, werde er anfangen, Spiele freiwillig zu verlieren. Vom Reporter der Equipe (einer der wichtigsten Sportzeitungen Europas) wollte er wissen, ob es auf Französisch le oder la challenge heisse. Auf die Bemerkung eines deutschen Kollegen zum Hawk-Eye, der neu eingeführten elektronischen Spielüberwachung, sagte er: «Darüber haben wir uns ja schon gestern unterhalten.» Und beim Hinausgehen erfüllte er den Wunsch eines iranischen TV-Journalisten, aus Anlass des persischen Neujahrs «Happy Nouruz» in die Kamera zu sagen.

In der Biografie «Das Tennis-Genie» (Pendo-Verlag) des Journalisten René Stauffer ist nachzulesen, wie Federer mit neunzehn Jahren einen der schwierigeren Entscheide seiner Karriere zu treffen hatte. Er musste sich festlegen, mit wem er fortan auf der Profitour unterwegs sein würde: mit dem Australier Peter Carter, seinem väterlichen Freund und Jugendtrainer, den er mehr als sein halbes Leben lang gekannt und dem er viel zu verdanken hatte. Oder mit dem ehemaligen schwedischen Berufsspieler Peter Lundgren, dem er damals ungleich weniger nahestand. «Alle dachten», erinnert sich Yves Allegro, «er würde Carter nehmen.» Federer entschloss sich für Lundgren. Der Schwede machte aus dem begabten, aber unsteten Teenager innert dreier Jahre einen Wimbledon-Sieger – nicht der einzige bemerkenswert instinktsichere, weitsichtige und unsentimentale Entscheid Federers in seiner Laufbahn.

Grösser als Michael Jordan

Roger Federer, wurde mir klar, war nicht nur ein singulär begabter Tennisspieler, sondern auch eine Führungspersönlichkeit mit Topmanager-Potenzial. Er hatte die Gabe, sich auf ständig wechselnde Situationen einzustellen, ohne den Überblick (und die gute Laune) zu verlieren, er war in hohem Masse stressresistent und belastbar, und er verfügte über das kühle Blut, rasche, wenn nötig unpopuläre Entschlüsse zu fällen. Gut möglich, dass es genau diese Eigenschaften waren, die ihn auf dem Tennisplatz in kritischen Momenten so oft das Richtige tun liessen.

Bei einem Schlummertrunk im original Irish Pub auf dem Areal der Sportanlage fragte ich den Mann von L’Equipe, was er von Federer halte. Er erzählte mir, dass er erst seit ein paar Jahren über Tennis schreibe und sich davor lange Zeit mit amerikanischem Sport befasst habe. «Ich habe Stars wie Michael Jordan und Wayne Gretzky erlebt. Doch von allen ist Federer die grösste Persönlichkeit, die mir je begegnet ist.» Am meisten beeindrucke ihn, wie normal Federer geblieben sei, in einem Umfeld, das mit all dem Geld, dem Luxus und dem Hype ganz und gar nicht normal sei. «Federer hat eine stabile Beziehung, einen intakten Freundeskreis, und er ist imstande, sich im richtigen Leben zurechtzufinden. Ich glaube, ein guter Teil seiner Stärke gründet in dieser Normalität.»

Ein paar angeheiterte englische Kollegen bestürmten uns, «auf einen Absacker in die ‹Manila-Bar›» mitzukommen. Stattdessen ging ich zeitig zu Bett. Schliesslich hatte ich morgen ein Interview mit Roger Federer.

Ich war schon eingeschlafen, als das Mobiltelefon klingelte. Eine metallische Stimme mit osteuropäischem Akzent sagte: «Hallo Bruno, hier ist Ivan Lendl. Sie wollten mich sprechen?»

Während seiner Aktivzeit galt Lendl, ein in die USA emigrierter Tscheche, nicht als Inbegriff des flamboyanten Entertainers. Im Gespräch erwies er sich aber als ebenso humorvoller wie mitteilungsbedürftiger Zeitgenosse. Ich fragte ihn, was er zurzeit so mache. «Ich bin viel unterwegs, weil ich meine Golf spielenden Töchter zu den Turnieren fahre. Wenn ich mal zu Hause bin, dann setze ich mich in den Lehnstuhl, schalte den Fernseher ein und geniesse es, dem fantastischen Sportsmann Roger Federer beim Gewinnen zuzuschauen.»

Ich wollte wissen, mit welcher Taktik er gegen ihn gespielt hätte.

Lendl, sehr trocken: «Taktik? Roger hätte kurzen Prozess mit mir gemacht.»

Ob das nicht allzu bescheiden sei für einen, der neunzehn Grand-Slam-Finals bestritt und insgesamt über fünf Jahre die Nummer eins war?

«Nein, Bruno, das ist die Wahrheit.»

Dann erklärte er mir, dass ein Spieler in der Regel zwei oder drei Arten beherrsche, einen Punkt zu machen. Nicht nur durchschaue Federer die Spielweise seiner Gegner sehr rasch, so dass diese ihre Stärken gar nie entfalten könnten, auch verfüge er selber über einen ungleich grösseren Bestand an Gewinnschlägen. «Roger vereinigt verschiedene Spielertypen in einer Person. Dies sowie die Anmut, mit der er die schwierigsten Bälle spielt, sind die Dinge, die ich am meisten an ihm bewundere.»

Ausgerechnet im letztjährigen Finale von Paris gegen Nadal, zitierte ich Stefan Edberg, habe Federer jedoch sein Spiel zu wenig auf die Stärken des Gegners ausgerichtet. «Dieses Match», sagte Lendl, «habe ich eingehend mit Tony analysiert.» Er meinte Tony Roche, seinen langjährigen Coach, der jetzt Federer betreut. Natürlich wollte ich wissen, zu welchem Schluss die beiden gekommen waren. «Bruno, du wirst verstehen, dass ich den Inhalt des Gesprächs vertraulich behandle. Aber wenn Roger in Pension geht, können wir gerne darüber reden.» Dann bedankte sich Ivan Lendl für mein Interesse, wünschte einen schönen Abend und sagte: «Viele Grüsse an Roger. Ich hoffe sehr, dass er in diesem Jahr den Grand Slam gewinnt.»

Am nächsten Nachmittag traf ich den Medienverantwortlichen der ATP, einen kultivierten, unaufdringlichen Italiener. Ich fragte ihn, ob Federers Dominanz nicht allmählich zum Problem für das Männertennis werde. «War die Dominanz von Martina Navratilova oder Steffi Graf ein Problem für das Frauentennis?», fragte er zurück. «Rogers anhaltend herausragende Leistungen sind im Gegenteil ein Segen für unsere Sportart.»

Natürlich war es keine Überraschung, dass er etwas in der Art antworten würde. Nachdem ich mehreren Leuten die gleiche Frage gestellt hatte, war ich aber geneigt, ihm zu glauben. Ein aus Indien stammender Journalist der Financial Times, der von sich behauptete, er habe in den achtziger Jahren einzig deswegen in den USA studiert, weil er John McEnroe live sehen wollte, formulierte es so: «Irgendwann verlor ich das Interesse am Tennis und hörte auf, darüber zu schreiben. Aber Federer spielt so unglaublich schön, dass ich zu meiner alten Passion zurückgekehrt bin. Ich bin sicher, so geht es jedem, der schon einmal einen Tennisschläger in den Händen gehalten hat.»

Punkt 16.20 Uhr Ortszeit rief ich Tony Godsick an. Punkt deshalb, weil er mir geschrieben hatte, dass er an jenem Tag um 07.20 Uhr New York time im Auto unterwegs zu einem Meeting sei und exakt zehn Minuten für mich habe. Tony Godsick ist Federers Manager und Vizepräsident von IMG, der weltweit wichtigsten Sportmarketingfirma (Umsatz: über eine Milliarde Dollar). Godsick ist dafür da, Fed als globalen Brand jenseits der Welt des Tennis zu positionieren sowie dessen Einkommen zu mehren. Gemessen an seinem Status liegt dieses mit geschätzten 16 Millionen Dollar jährlich noch beträchtlich über Par (Tiger Woods: 87 Millionen).

Natürlich redete er nicht über Zahlen, versicherte aber, dass «Rogers Einkünfte substanziell sind, die höchsten in der Geschichte des Tennis», dass man «in den letzten acht Monaten mindestens zwanzig Anfragen für Werbedeals» habe ablehnen müssen, dass Federers Name «immer öfter in Wirtschafts-, Mode- und grossen Wochenmagazinen» erscheine und dass, sollte er den Grand Slam gewinnen [die vier wichtigsten Turniere im selben Jahr], «es nicht unangebracht wäre», ihn in die Nähe der grössten Athleten aller Zeiten wie Muhammad Ali oder Michael Jordan zu rücken.

«Eine grosse fliessende Peitsche»

Am Abend spielte Federer das Halbfinale gegen Tommy Haas. Es wehte ein ziemlich starker Wind durchs Stadion, und ich musste an eine Anekdote denken, die mir Darren Cahill erzählt hatte. Cahill betreut das australische Davis-Cup-Team und war sechs Jahre lang Trainer von Andre Agassi. Vor den Turnieren habe er jeweils mit Agassi den Centre-Court betreten und gefragt: «Wem kommen wohl die Bedingungen hier entgegen?» Egal, ob der Belag schnell war oder langsam, die Bälle schwer oder leicht, das Wetter windig oder ruhig, immer habe Agassi geantwortet: «Ich denke, die Bedingungen kommen Roger entgegen.»

Zwischen Haas und Federer entsponnen sich zahlreiche Ballwechsel, von denen jeder an einen guten Kinofilm erinnerte. Man vergass die Welt um sich herum, es hagelte Pointen, und immer wenn man glaubte, den Ausgang der Geschichte zu kennen, nahm sie eine unglaubliche Wendung. Gegen Ende des ersten Satzes erhoben sich selbst die Journalisten von ihren Sitzen, um den Spielern zu applaudieren. Einzig das Happy End blieb dem immer gleichen Protagonisten vorbehalten.

Vor dem Siegerinterview warf Federer sein Schweissband ins Publikum. Er katapultierte es fast in die obersten Ränge der steilen Tribüne, so dass man sah, wie viel Kraft in diesem Handgelenk steckte, das sein Coach Tony Roche einst als entscheidend bezeichnete für die unglaubliche Beschleunigung, die Federer mit seiner Vorhand erzielt. Eine Vorhand, die der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace unübertroffen poetisch als «grosse fliessende Peitsche» bezeichnet hatte.

Im «Aviation Club» ist die Hälfte meiner Gesprächszeit mit Roger Federer bereits um. Zum Glück redet er so, wie er Tennis spielt – schnell und mit hoher Intensität –, so dass wir uns in dieser Zeit nicht nur über Angus Young unterhalten konnten, sondern auch über Anna Wintour, die Vogue-Chefin, die Federer als Freundin bezeichnet, über Roberto Carlos, der ihn in Madrid um ein Autogramm bat, über Björn Borg, den er als eindrücklichste Figur der Tennisgeschichte bezeichnet, über Ivan Lendl, einen netten Kerl, dem man zu Unrecht das Image des Ostblock-Roboters angehängt habe, und über die Torwartmisere der Schweizer Fussballnationalmannschaft (er selber, sagt er laut lachend, wäre als Torhüter vollkommen ungeeignet, weil er Angst davor hätte, sich den Stürmern vor die Füsse zu werfen).

Was ist das Beste am Berühmtsein?
Der Applaus des Publikums. Entertainer sein, im Mittelpunkt stehen. Was mir nicht viel bedeutet, ist, auf der Strasse erkannt zu werden. Bis vor ein paar Jahren hiess es manchmal noch: «Sie habe ich doch schon irgendwo gesehen.» Das ist jetzt leider vorbei.

In den letzten Tagen bist du öfter mit gesenktem Kopf herumgelaufen. Das wirkt irgendwie verklemmt und passt nicht zu dir.
Manchmal will ich halt Blickkontakt vermeiden. Sonst muss ich ununterbrochen Leute grüssen und Autogramme geben.

Du wechselst dein T-Shirt, und alle Groupies kreischen – wird deine Freundin nie eifersüchtig?
Im Gegenteil. Die ist stolz darauf! Schau, jede Stadt, jedes Turnier hat seine eigenen Sitten. Und hier herrscht offenbar beim Anblick meines Oberkörpers eine Mega-Euphorie. Ist doch unglaublich. Ich sass auf meinem Stuhl und habe mich innerlich vor Lachen gekrümmt. Zuerst wollte ich eine Geste ins Publikum machen, dann habe ich mir gesagt: Konzentrier dich jetzt.

Deine Freundin macht die Pressearbeit für dich. Du bist sozusagen ihr Chef...
...Ach, das wird manchmal ein wenig übertrieben dargestellt. Als sei sie meine Managerin oder so. Sie ist einfach für die Liaison zwischen mir und den Medien zuständig – nicht dass das keine harte Arbeit wäre, vor allem da sie zu neunzig Prozent aus Absagen besteht. Aber ich habe ihr gesagt, in dem Moment, wo du keine Lust mehr hast, suchen wir uns jemand anders.

Es heisst, in deinem Umfeld wollest du stets über alles Bescheid wissen. Bist du ein Kontrollfreak?
Nein, ich möchte einfach möglichst gut informiert sein. Um mich herum geht so viel ab – Sponsoren, Medien, meine Foundation. Wenn da etwas schiefläuft, muss ich den Kopf hinhalten. Also will ich auch mitbestimmen können. Das Coole an meinem Job ist ja: Ich bin mein eigener Boss und kann machen, was ich will. Nicht wie ein Fussballer, der einfach irgendwohin transferiert wird oder dem man verbieten kann, sich in eine Hängematte zu legen, weil es nicht zum Image des Vereins passt. Es ist allein meine Entscheidung, ob ich in einem Anzug oder füdliblutt durch die Gegend laufe. – Noch zwei Fragen?

Okay, dann lass uns doch noch ein wenig über Tennis reden: letzter Satz, Tiebreak, Matchball für den Gegner, du musst über den zweiten Aufschlag. Was geht dir in diesem Moment durch den Kopf?
Die Frage ist, ob du riskierst oder nicht. Willst du das Zepter in die Hand nehmen, oder überlässt du es dem anderen? Ich bin eher der Typ, der Prozent spielt, sich also fragt: Wann sind meine Chancen am grössten? Darum würde ich eher wenig riskieren. Wenn der Ball einmal im Spiel ist, kann ich meine Stärken einsetzen, und für den anderen wird es auch nicht einfacher. Einen Matchball gegen mich muss man zuerst einmal verwerten. Und ich sage mir: Der andere muss mich schlagen, das tue ich sicher nicht selber. Indem ich den Ball im Spiel halte, gebe ich den Druck weiter. Vielleicht haut der andere ja den nächsten Ball ins Out. Dann hätte ich es geschafft, dass er sich selber bezwingt. – Letzte Frage?»

Ach, die schenke ich dir. Geh schlafen, du hast es verdient.

Am nächsten Tag wird Roger Federer das Finale gegen den Russen Michail Juschni gewinnen. Der Russe wird an der Pressekonferenz in maximal komplexitätsreduziertem Englisch sagen: «Roger give me gud less’n.» Dieser wird, nachdem er die Ehrbekundungen des einheimischen Vizeturnierdirektors an die anwesenden «Hoheiten», «Exzellenzen» und «distinguierten Gäste» mit einem jugendlichen Strahlen über sich hat ergehen lassen, den Veranstaltern auch den letzten Wunsch nicht abschlagen. Und so kommt es, dass Roger Federer, Superstar, Jahrhundertsportler, Weltwunder, wie an einer Dorftombola ein Lotterielos ausrollen und verkünden wird: «Der Hauptpreis geht an den Teilnehmer mit der Nummer 3-2-7-3.» Der Turniervizedirektor wird ihm die Gewinnsumme zuflüstern, und er wird überrascht ausrufen: «Was, eine Million Dollar? Dieser Glückspilz!»