Guido von Castelberg (1927–2015) — Er trug zwei Doktortitel, für Wirtschaft und für Jurisprudenz, und er war ein erfolgreicher Anwalt. Guido von Castelberg interessierte sich für die Rechtswissenschaft und die Entwicklung des Rechts, und man darf wohl auch sagen, dass er die Rechtsfindung auch als (Denk-)Sport und Hobby pflegte. Als Mitglied und dann zehn Jahre lang als Präsident des Zürcher Kassationsgerichts hatte er sein ideales Betätigungsfeld gefunden. Für ihn war es gewissermassen eine Sache des Anstandes, dass der bevölkerungsreichste Kanton der Schweiz die Urteile seiner Gerichte selbst einer Prüfung unterzog. Sosehr ihm aber die Rechtsfindung ein Anliegen war, sosehr war er selbst leidenschaftlich und emotional engagiert in politischen Fragen, in der Diskussion um die Rolle der katholischen Kirche und über die gültige Art, klassische Musik wiederzugeben. Letzteres war ihm ein zentrales Anliegen als Präsident der Musikkommission Tonhalle-Gesellschaft, die damals für die Programmgestaltung zuständig war. Politisch dachte er liberal in einem konservativen Sinne, was ihn mehr und mehr seiner angestammten Partei, der CVP, entfremdete. Und von der Kirche verlangte er, dass sie sich nicht jedem Zeitgeist unterwerfen solle. Guido von Castelberg war gut verknüpft in einem Freundeskreis, der ihn als charmanten, humorvollen Unterhalter und liebenswürdigen Freund zu schätzen wusste. Mit seinem Tod ist Zürich um eine gescheite, witzige und unkonventionelle Persönlichkeit ärmer geworden.