Seit 45 Jahren fahre ich zu Baustellen und bediene den Kran, der auf dem Lastwagen aufgebaut ist. Meistens führe ich etwas mit, Kies oder Humus zum Beispiel. Manchmal muss ich ein Klavier in eine Wohnung heben. Oder einen Grill auf eine Terrasse. Den Kran bewege ich mit dem Joystick oder der Klavierbedienung, das geht ganz einfach.

Mit dem Lastwagen, einem Zweiachser, maximal achtzehn Tonnen, komme ich überall hin. Sogar durch das enge Niederdorf in Zürich. Manchmal wird es knapp, aber es geht immer. Sollte ich hängenbleiben, bezahlt die Firma, ausser ich mache es absichtlich, dann müsste ich tuggen.

Aufträge bekomme ich von Privaten, Firmen, Gemeinden. Mein Highlight war, eine Kuh zu bergen. Es gibt aber auch düstere Momente: Einmal musste ich einen, der mit dem Auto den Hang abgestürzt war, als Toten hochziehen.

An meinem Job stört mich nichts. Das Bürofräulein, das 35 Jahre in der Firma arbeitete, lachte immer, wenn sie mich sah. Sie meinte, ich sei am Morgen nie ranzig gekommen.

Dass mein Sohn Detailhändler und nicht Kranfahrer ist, finde ich gut. Man sollte nicht mehr auf die Strasse – bei der Verkehrsdichte. Es wird ja immer schlimmer. Manchmal, wenn ich mein Gefährt abstelle, hupt schon einer.

 

Irgendwie versteht man sich

Ich begann vor 46 Jahren. Ein Jahr lang war ich weg, in Mallorca. Das war 1996, weil ich eine reiche Frau kennenlernte. Sie wollte mit mir auswandern, ich war aber gar nicht begeistert.

Sie baute eine Villa, kaufte Appartements und ein Restaurant. Nach drei Monaten nervte es mich schon. Ich habe nicht gerne, nichts zu tun. Ich war dann dabei, als die Bauarbeiter die Villa bauten. Und am Feierabend gingen wir zusammen in den Spunten. Nach fünfzehn Monaten war ich aber wieder in der Schweiz, wo ich hingehöre.

Aufgewachsen bin ich in Herrliberg am Zürichsee. Ich war nicht gut in der Schule, ich war mistfaul und machte nur das Minimum. Ich beendete nicht mal die dritte Realschule, weil ich wusste, dass ich arbeiten möchte, ich war immer ein Praktiker. Mit zwölf fing ich auf dem Bau an, in den Ferien, dann bei den SBB, in einer Buchbinderei, beim Beck. Ich wollte Geld verdienen. Mit sechzehn begann ich meine Lehre, als Sanitär in Küssnacht. In der ersten Woche kam dann aber der Chef und sagte, auf der Baustelle werde nicht geraucht und man sage einander Sie – ich meine, jeder soll jedem du sagen. Und ich dachte: «Hä? Hier bin ich falsch.» Als er mich am nächsten Tag anrief, sagte ich ihm, dass ich nicht mehr komme.

Mein Vater, auch ein Chauffeur, nahm mich dann zum Schneider-Bruno mit, wo er in den Ferien Lastwagen fuhr. Per Handschlag stellte er mich ein, und ich begann am 2. Mai 1974 meine Lehre. Mich haben sie auf die Kräne getan, das habe ich gern gemacht, Hebeln und Mechen, damals ohne Fernsteuerung, alles manuell. Daran, dass man immer draussen ist, gewöhnt man sich. Im Alter bin ich aber empfindlicher geworden.

Mit der Zeit wurde ich ruhiger. Wenn mir früher etwas nicht passte, konnte ich rumschreien. Der Ton allgemein auf der Baustelle hat sich verbessert, er ist nicht mehr so ruppig. Früher beschimpfte man sich, heute ist es seidenfein. Mit den Ausländern habe ich es sehr gut, am besten mit den Spaniern und Portugiesen. Das sind gschaffigi Cheibe. Zwar können nicht immer alle Deutsch, aber irgendwie versteht man sich.

Wenn ich gesund bleibe, arbeite ich nach der Pensionierung weiter – ich dürfe, sagten meine Chefs. Ich sagte nach der Stifti: «Hier bleibe ich fünfzig Jahre.» Und das ist wegen ihnen, sie sind sehr anständig und fair.

 

Aufgezeichnet von Roman Zeller