Die Terroranschläge im Oktober und November machten deutlich, dass es neben Corona und seinen ökonomischen Auswirkungen ein weiteres Problem gibt, das ungelöst ist: der Islamismus. Die Anschläge kamen nicht überraschend, denn in den letzten Jahren gab es immer wieder Anschläge und Anschlagsversuche, die von den Sicherheitsbehörden vereitelt wurden. Die Täter waren immer wieder junge Männer mit muslimischem Migrationshintergrund.

Dass Politiker auf diese Anschläge mit Reformvorschlägen reagierten, ist politisch verständlich und sachlich begründet. Es geht darum, bestmöglichst aufgestellt zu sein, um künftige Attentate zu verhindern. Dabei genügt es nicht, eine bessere Ausstattung von Polizei und Nachrichtendiensten zu versprechen, ihnen mehr Befugnisse zu geben und eine bessere europäische Zusammenarbeit zu fordern, sondern die Probleme müssen an der Wurzel angepackt werden. Andernfalls wäre es so, wie wenn man die Feuerwehr immer weiter vergrössert und hofft, sie werde alles richten, ohne dafür zu sorgen, dass die Mindeststandards beim Brandschutz eingehalten werden.

 

Macrons Forderung ist vernünftig

Zu den Mindeststandards bei der Islamismusbekämpfung gehört es, die Aussengrenzen zu schützen, ausländische Islamisten abzuschieben und den islamistischen Extremismus zu bekämpfen. Die Forderung von Präsident Macron, den europäischen Aussengrenzschutz zu verbessern, ist deshalb vernünftig, denn durch strikte Grenzzurückweisungen können mögliche Gefährder erst gar nicht zu uns gelangen. Viele Terroropfer könnten noch leben, wenn es einen funktionstüchtigen europäischen Aussengrenzschutz und eine sicherheitsorientierte Abschiebungspolitik gegeben hätte.

Fragen muss man die Politiker, warum sie nicht bereits nach der ersten Anschlagswelle 2015/2016 für einen wirksamen Aussengrenzschutz sorgten. Mit Blick auf die europäischen Bremser steht allerdings zu befürchten, dass Macrons Forderung bis zur nächsten Anschlagswelle vergessen sein wird oder sich auf Aussengrenzkosmetik beschränkt.

Islamistischer Terrorismus kommt aber nicht nur über die Aussengrenzen zu uns, sondern entsteht auch in unseren muslimischen Gemeinschaften. Es sind die islamistischen Extremisten und Radikalen in unserer Gesellschaft, wie die Muslimbruderschaft, die ihnen den Nährboden geben. Leute, die unsere Gesellschaft zutiefst verachten und eine andere, islamistisch geprägte Gesellschaft wollen.

Sie nutzen unsere Toleranz, Gastfreundschaft und die sozialen Sicherungen des Westens gegen uns aus. Sie indoktrinieren junge Menschen so, dass sie unsere liberale Demokratie ablehnen und bekämpfen. Sie geben sich uns gegenüber oftmals moderat, um als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptiert zu werden. Sie streben in Parteien und gesellschaftliche Gruppierungen, um Anerkennung zu finden und ihre Forderungen in dosierter Form einzubringen. Sie agieren schrittweise, schleichend. Sie wollen im Unterschied zu den Terroristen als die Gemässigten wahrgenommen werden.

Unsere Toleranz ihnen gegenüber erwidern sie mit einer Intoleranz gegenüber allen, die sich kritisch gegenüber dem Islam äussern, sobald sie gesellschaftlich akzeptiert sind. Damit wird ein schrittweises Verschieben des politischen Koordinatensystems erreicht, wodurch ihre Positionen als legitim und moderat ersscheinen, während ihre Kritiker als Islamfeinde oder Populisten ausgegrenzt werden. Eine durchaus erfolgreiche Strategie. Innerhalb ihrer Parallelgesellschaften scheuen sie nicht davor zurück, Klartext über ihre wahren politischen Absichten zu äussern, nämlich die freiheitlichen Demokratien zu unterwandern.

Deshalb greift es zu kurz, das Problem des Islamismus auf den Terrorismus zu reduzieren. Der islamistische Extremismus ist eine andere, aber ebenso grosse Gefahr, da er einerseits Terroristen das ideologische Rüstzeug gibt und andererseits von ihm eine Unterwanderung der Gesellschaft ausgeht. Wir nehmen den Extremismus weniger wahr, weil er schleichend vorgeht, und dadurch gewöhnen wir uns über die Zeit an seine Existenz.

 

Intoleranter und wehrhafter

Es ist eigentlich nicht schwer, gegen islamistischen Extremismus vorzugehen. Wir müssen nur ernsthaft bereit sein, unsere liberale Demokratie zu verteidigen. Das setzt voraus, dass wir wahrnehmen, dass unsere freiheitlichen Demokratien auch Feinde haben, die nicht offen als Feinde in Erscheinung treten. Ihnen dürfen wir nicht mit Toleranz begegnen, denn Toleranz wird als Schwäche wahrgenommen und gegen uns instrumentalisiert.

Wir können zum Beispiel verhindern, dass sie öffentliche Gelder erhalten, dass sie in Schulen und Haftanstalten unterrichten und muslimische Seelsorge betreiben, dass sie Kinder indoktrinieren, und vor allem, dass sie von der Gesellschaft als Gesprächspartner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Wenn sie in einem islamistischen Land leben wollen, ist es besser, dass sie dorthin gehen, als dass der Islamismus zu uns kommt.

Kurz: Wir müssen klare Kante zeigen und ihnen gegenüber intoleranter und wehrhafter sein. Andernfalls drohen wir an unserer Gutmütigkeit und Naivität zu scheitern.

 

Hans-Georg Maassen war Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Er ist Mitglied der CDU.