Gerne hätte ich Ihnen noch zu Lebzeiten meine grosse Verehrung gestanden, nun sind Sie 93-jährig in einer Hamburger Altersresidenz gestorben.

Sie waren in den fünfziger Jahren, laut Spiegel, «das Beste, was damals in Deutschland auf dem Vamp- und Sex-Sektor zur Verfügung stand». Das kann ich bestätigen.

Obschon Sie in den vielen Filmen, in denen Sie mitunter eine Prostituierte spielten, nie nackt zu sehen waren, hat Ihre natürliche erotische Ausstrahlung selbst bei Kindern eine Ahnung von etwas Künftigem ausgelöst, das die Gefühle verstören kann. Die Meldung von Ihrem Tod hat mich nämlich an meinen ersten Kinobesuch erinnert.

Meine Tante Bethli hat mich, den erst Neunjährigen, ins Kino gebracht. Es lief einer dieser kitschigen deutschen Filme mit viel Musik, in dem Sie und Ihr Mann Walter Giller die Hauptrollen spielten, meistens unterwegs in südlichen Landschaften in einem Cabrio der Marke Hillman Minx. Die Geschichte war irgendeine jugendfreie Intrige unter Erwachsenen.

Aber da gab es die eine Szene, wo Sie tanzten, sich im Kreis drehten und dabei etwas Verrücktes geschah: Ihr weisser Rock öffnete sich bei der Drehbewegung so hoch, dass er dabei den Blick auf Ihre langen Beine und den weissen Slip freigab. Ich wusste nicht, wie mir geschah, ein seltsam angenehmes Gefühl rieselte durch meinen Körper. Nein, es ging nicht in die Hosen, ich hatte noch keine Ahnung von Sex, es wurde mir einfach warm ums Herz, und ich hätte viel gegeben, um diese Szene nochmals zu sehen.

Ich war meiner Tante sehr dankbar, dass sie mich in diese magische Show gebracht hatte. Nadja Tiller und Walter Giller sind seither konstante Grössen in meinen ganz persönlichen Filmerinnerungen. Zwar habe ich später, als ich allein ins Kino durfte, nie wieder einen Ihrer Filme gesehen, aber die Szene mit den langen Beinen hat sich bei mir derart eingeprägt, dass ich Ihnen heute noch dankbar bin.