Über Antonio Costantini und sein Leben gibt es eine Reihe von Artikeln und Berichten. Kein Wunder, der Mechaniker ist bekannt für seine «Werkstatt für Hochleistungsfahrzeuge», die er dreissig Jahre lang an Zürichs Badenerstrasse geführt hat. Im Spätherbst 2019 schloss diese ihre Tore, und Costantini lieferte seine letzte grosse Arbeit ab, die Restaurierung eines Ferrari 275 GTS – doch seine Leidenschaft lebt weiter.

 

Erste Adresse

 

«Kommst du vorbei?, ich bin fast fertig mit Einrichten», meldet sich Antonio Costantini am Telefon. Noch im vergangenen Herbst sah es so aus, als würde seine Werkzeugwand voller selbstangefertigter, höchstraffinierter Hilfsmittel für italienische Sportwagenklassiker in einem Lager verschwinden. «Nein, grosse Arbeiten werde ich keine mehr durchführen», beschwichtigt der im vergangenen September achtzig Jahre alt gewordene meccanico, nachdem er uns hinter einem grossen, automatischen Doppelgaragentor in seiner neuen Werkstatt empfangen hat. Diese liegt unscheinbar inmitten eines Wohnquartiers. Die Werkzeuge sind wieder fein säuberlich eingeordnet. Costantinis Spezialgeräte, mit denen er beispielsweise die sechs Doppelvergaser eines Ferrari- oder Lamborghini-Motors synchronisiert, stehen an ihrem Platz. «Nur die Nachbarn – da werde ich mir wohl etwas einfallen müssen», meint Antonio Costantini zu den damit verbundenen Geräuschen. Für Eingeweihte aber ist es pure Musik, ein unvergleichlicher, unverkennbarer Klang, den nur ein italienischer Sportwagenklassiker zu komponieren imstande ist.

Überall hängen Bilder aus Costantinis reichem Leben – viele von spannenden Autos und ihren oft mindestens so spannenden Besitzern. Antonio Costantinis Betrieb war eine der ersten Adressen für die Pflege und Restaurierung historischer Ferraris oder Lamborghinis. Und das nicht nur in der Schweiz. Einen Namen hatte er sich schon vorher gemacht.

Ferruccio Lamborghini höchstselbst attestierte dem 1960 aus Apulien in die Schweiz gekommenen Spezialisten besondere Fähigkeiten im Umgang mit den «automobilen» Kunstwerken. Und dank seiner ungemein grossen Erfahrung wurde seine Hilfe auch in Maranello gerne in Anspruch genommen.

Der italienische Staat erhob ihn gar in den Rang eines Cavaliere. Und auch in der Heimat Apulien, der Provinz am italienischen Stiefelabsatz, gehört er auf die Liste der erfolgreichsten Söhne und Töchter. Die Liste der Autos, die Costantini schon unter seine fachkundigen Hände genommen hat, tönt derweil wie der Inhalt einer Traumgarage. Bei den Kunden war er wählerisch und verschwiegen. Dafür ist er vielen ein echter Freund geworden – und das oft seit Jahrzehnten.

 

Das Leuchten bleibt

 

Nun tritt Antonio Costantini wohl etwas kürzer. Das Leuchten in den Augen ist aber unverkennbar. Etwa dann, wenn er einem eine eigens konstruierte, filigrane Ringleitung zeigt, mit er die Beschleunigerpumpen jedes einzelnen Vergasers bei laufendem Motor prüfen kann: «Dieser 1948er Ferrari verschluckte sich ständig. Damit habe ich das Problem erkannt und lokalisiert. Die neue Membran musste ich selber anfertigen, da gibt es keine Teile mehr dafür.» Gewusst wie! Der Ruhestand muss wohl wirklich noch warten.

Als Treffpunkt für seine Kunden ist die Werkstatt ein magischer Ort. Hier sollen Geschichten weitererzählt, Wissen und Lebenserfahrung weitergegeben werden . Dieses kleine, intime Reich von Antonio Costantini und seiner Frau Margret, seiner wichtigen Stütze in all seinen Geschäftsjahren, hat etwas ungemein Positives. Ihre beiden Ferraris, ein 512 BB und ein 410, stehen dabei im Zentrum, doch jedes Teil hier erzählt seine eigene Geschichte. Wer zuhören kann, der kann sich hier ganz leicht von der Leidenschaft anstecken lassen. Sie kann man nicht in Rente schicken. (MSI)

Der Ruhestand muss warten: Automechaniker Costantini in seiner neuen Werkstatt.

 

Martin Sigrist ist Historiker und Redaktor der Auto Illustrierten.