Pio Corradi (1940–2019) – «Ich bin sicherlich ein sensibler Mensch, was das Licht betrifft», sagte er, nachdem er mit dem Ehrenpreis des Deutschen Kamerapreises vor zwei Jahren gewürdigt worden war. «Aber die Kamera ist für mich einfach nur ein technisches Gerät und nichts Heiliges.»

Es war das Bekenntnis zu einer Sachlichkeit, die ihn und seine Arbeit auszeichnete. Denn Corradi war, wie er in einem Interview offen zugab, «in einem Spielfilm [. . .] nie glücklich geworden». Seine Stärke war das Echte, Unverfälschte, Dokumentarische. Auch wenn der im Baselbiet Geborene zahlreiche Spielfilme drehte – allen voran Fredi Murers «Höhenfeuer» (1985) –, war er in seinem Element bei den Dokumentarfilmen, die ihn in alle Länder, alle Kulturkreise führten. Insofern war er der Schweizer Licht- und Bildgestalter schlechthin, denn die Präzision und magische Heranführung des Echten und Wahren an den Zuschauer ist seit je die unbestrittene Stärke des Schweizer Films.

Da scheute er sich, wie etwa bei den «Salzmännern von Tibet» (1997), vor keinem noch so grossen Hindernis, um mit der Kamera das Essenzielle jeglicher Plackerei, das Wesen der jeweiligen Situation, in seinem wahrhaftigen Kern einzufangen und wiederzugeben. Nach einer Fotografenausbildung in Basel ging Pio Corradi, Sohn einer einst aus Italien eingewanderten Familie, nach Zürich, wurde Assistent bei Nicolas Gessner, Grigori Alexandrow und anderen. 1972 begann seine Karriere als freischaffender Kameramann. Besonders treu blieb er Fredi Murer. Auch Xavier Kollers Oscar-Film «Reise der Hoffnung» (1990) prägte er mit, in seinem halbdokumentarischen Zugriff.