Ich war vor ein paar Jahren mal in Stockholm, und mir fiel auf, dass dort viele Betrunkene herumliefen. In der Schweiz sieht man ja kaum noch Torkelnde auf der Strasse, aber das hat vielleicht auch mit der zunehmenden gesellschaftlichen Ausgrenzung von Nichtnüchternen zu tun. In Schweden hingegen gibt es womöglich ein staatliches Gleichberechtigungsprogramm, das die gesellschaftliche Akzeptanz von nichtnüchternen Menschen erhöhen soll. Das Programm soll die Vorurteile abbauen, die bei Nüchternen entstehen, wenn sie nachts auf einer vereisten Stockholmer Gasse einem Betrunkenen begegnen, der «Öle smöke trocktänhätt!!!» brüllt. Da es in Schweden für jedes Vorurteil eine Regierungskommission gibt, ist es durchaus denkbar, dass es eine Kommission mit der Bezeichnung kommission mot hat mot fyllare gibt, kurz KMHF. Die KMHF (auf Deutsch «Kommission gegen Hass auf Nichtnüchterne») hätte die Aufgabe, die Bevölkerung mit den Problemen von Betrunkenen vertraut zu machen. Es würde auch Kennenlernabende geben. Denn wenn man persönlich einen Betrunkenen kennt, wird man, wenn man später irgendeinem Betrunkenen begegnet, ihn zu einem Glas Bier einladen, anstatt die Strassenseite zu wechseln. Im Vorstand der KMHF könnte auch die Idee aufgekommen sein, Betrunkene als vattenmässig blockerad personer zu betrachten (auf Deutsch «Menschen mit einer Wassertrink-Behinderung»).

Tatsächlich haben Betrunkene in ihrem Alltag ja genau wie andere Behinderte mit vielen Barrieren zu kämpfen. Beispielsweise sind die hohen Bordsteinkanten für Betrunkene ein grosses Problem. Hier wäre die Schaffung von betrunkenenfreundlichen, niedrigschwelligen Bordsteinzonen zu diskutieren. Diese müssten allerdings speziell gekennzeichnet werden, damit es nicht zu Komplikationen kommt, wenn ein Rollstuhlfahrer und ein Betrunkener gleichzeitig die Zone benutzen wollen. Ein Piktogramm, das einen stilisierten Menschen mit einer Flasche in der Hand zeigte, könnte mit Signalfarbe auf das Trottoir aufgebracht werden. Der Betrunkene, der das Piktogramm sieht, weiss dann: Hier kann ich gefahrlos das Trottoir betreten. Da allerdings viele Betrunkene an optischen Verdopplungsstörungen leiden, müsste man unter das Piktogramm schreiben: Achtung! Die niederschwellige Bordsteinzone befindet sich in der Mitte der beiden Piktogramme.

Über zu wenig Arbeit könnte sich die KMHF also wahrlich nicht beklagen! Es müssten ja auch auf allen öffentlichen Plätzen in Schweden Stützstangen montiert werden, an denen die Betrunkenen sich beim Überqueren des Platzes festhalten könnten. Sollte ein Betrunkener trotzdem stürzen, müsste der Boden idealerweise mit einem elastischen Belag versehen sein. Eine Gesamtpolsterung ganz Schwedens wäre eine zwar utopische Forderung, mit der die Regierung aber ihren unbedingten Willen zu einer betrunkenenfreundlichen Politik demonstrieren könnte. Eine solche Politik müsste auch landesweite Präventionskampagnen beinhalten. Es darf nicht mehr vorkommen, dass Betrunkene von Kindern fallfrukter genannt werden (auf Deutsch «Fallobst»)! In Kindergärten und Schulen sollten Betrunkene auf Einladung der Klassenlehrer den Kindern ein realistisches Bild davon vermitteln, was es bedeutet, nicht nüchtern zu sein. Wenn die Kinder erst einmal mit eigenen Augen gesehen haben, wie schwierig es für einen Betrunkenen ist, auf einem vom Lehrer auf den Boden gezeichneten Kreidestrich geradeaus zu gehen, werden sie sich für ihr früheres diskriminierendes Verhalten schämen. Sie werden später auch gemischt-nüchternen Ehen aus Nüchternen und Nichtnüchternen positiv gegenüberstehen, ja vielleicht werden sie sogar einmal ein nichtnüchternes Kind aus Russland adoptieren. Von den Schweden können wir Schweizer jedenfalls eine Menge lernen!