Rebbau Spiez Genossenschaft Cuvée Escapade 2019. 12,5 %. Fr. 20.–. www.alpineweinkultur.ch
Zu den Vorurteilen, an deren Überwindung ich arbeite, gehört die Abneigung gegen neue Sorten, neue Kreuzungen, sogenannte Hybriden oder interspezifische Sorten, gelegentlich auch «Piwi» (pilzresistente Sorten) genannt, die den Einsatz der immer suspekteren Pflanzenschutzmittel – Herbizide, Fungizide oder sonstige Agrarchemie – reduzieren oder gar überflüssig machen. Ein Spezialist solcher Neuzüchtungen heisst Valentin Blattner (geb. 1958), und sein Labor ist nicht etwa ein gentechnischer Kontor à la Frankenstein, sondern ein relativ bescheidener Rebberg im jurassischen Soyhières, unweit Delémont über dem Birstal gelegen.
Dort, in einem feuchten Klima, das Rebkrankheiten aller Art von Mehltau bis Fäulnis befördert, sind ihm aufs natürlichste Kreuzungen gelungen, die sein Renommee bis weit in die nördlichen USA und nach Kanada befördert haben, gilt seine Aufmerksamkeit doch auch der Entwicklung kälteresistenter Sorten («Wildreben ertragen minus 45 Grad, die Genetik ist also schon da, man muss sie nur finden», sagt er, der überhaupt eher ein Finder als ein Erfinder ist). «Ich lasse ja nur die Natur machen.» So entstand vor Jahren die Sorte mit dem technisch schmucklosen Namen «VB 32-7», der nichts anderes meint als «Valentin Blattner, 32. Zeile, 7. Rebstock».
Sie ist eine Cabernet-Kreuzung, bei der ein Weisser herausgekommen ist, in der Aromatik allenfalls mit einem Sauvignon blanc zu vergleichen, aber intensiver nach Holunder, Passionsfrucht, grüner Peperoni duftend und «glücklicherweise ohne die Büchsenspargelaromatik, die sich bei superfruchtigen Sauvignons aus Übersee bald einmal einstellt» (Blattner). Die VB 32-7, die ich vor Zeiten einmal bei ihm degustieren durfte, ist inzwischen zu einem von Blattners Klassikern avanciert, in der Schweiz zwar weniger angebaut als zum Beispiel in Belgien, aber immerhin in der massgeblichen Enzyklopädie, der Weinsortenbibel «Wine Grapes» von Robinson, Harding und Vouillamoz, vermerkt. Jetzt begegnet sie uns in einer Cuvée der Rebbau-Genossenschaft Spiez, als Juniorpartner neben 70 Prozent Riesling · Sylvaner, aber sehr spürbar in der Aromatik von Limonen, Stachelbeeren, Akazienhonig, Mango und Melisse.
In Spiez (of all places) pflegt ein enthusiastisches Team um die Önologin Ursula Irion mit hochgelegenen, aber vom Reflex des Thunersees befeuerten 11,5 Hektaren Reben das, was es «Spiezer alpine Weinkultur» nennt, in Zeiten des Klimawandels gewiss eine vielversprechende Affiche. Die weisse Cuvée heisst «Escapade», und sie vereinigt die Vorzüge des mehrfach prämierten Riesling · Sylvaners und Blattners genialer Findung. Erfrischende, würzige, voralpine Höhenluft mit einigen mitgewehten Blütendüften.