Das Internet weiss alles, oder es tut zumindest so. Googelt man die Frage «Wie reich ist Wolodymyr Selenskyj», erhält man als Antwort eine Bandbreite von 1,5 Millionen bis 1,5 Milliarden Dollar. Belege und Beweise kriegt man keine.

Behauptungen, nach denen der ukrainische Präsident stolzer Besitzer von drei Jets, fünf Jachten und zahlreichen Luxusautomobilen sei, gehören wohl ins Reich der Fantasie. Bemerkenswert ist jedoch, dass selbst die niedrigste genannte Summe von 1,5 Millionen hoch ist in einem Land mit einem Durchschnittslohn von 260 Franken im Monat.

Bilanz der «Pandora Papers»

Der Präsident verdient 900 Franken. Auch wenn man berücksichtigt, dass Selenskyj vor der Wahl ein gutbeschäftigter Schauspieler mit einer eigenen Produktionsfirma war, erscheinen 1,5 Millionen Dollar viel. Dennoch scheinen sie der Realität nahezukommen. Als er nach seiner Wahl 2019 seine Vermögensverhältnisse offenlegen musste, nannte der neue Staatschef Guthaben im Wert von einer Million Dollar.

Dass dies nicht die ganze Wahrheit war, belegten zwei Jahre später die «Pandora Papers», die Kleptokraten in aller Welt demaskierten. Das Konsortium von Investigativjournalisten identifizierte die Ukraine als das Land mit den meisten korrupten Amtsträgern weltweit – insgesamt 38 Personen. Einer von ihnen war Selenskyj mit Offshore-Firmen in Belize, Zypern und auf den Britischen Jungferninseln. Sie waren von seiner Produktionsfirma Kwartal 95 gegründet worden. An der grössten, Maltex Multicapital Corp., hielten Selenskyj und seine Frau Olena einen Anteil von 25 Prozent. Nach der Wahl übertrugen sie ihre Anteile an den Kwartal-Manager Serhij Schefir, der alsbald zum engsten Berater des neuen Präsidenten aufstieg.

Allein über zyprische Konten der Selenskyj-Firmen sollen bis 2016 über 41 Millionen Dollar geflossen sein, die der dubiose Oligarch Ihor Kolomojskyj von seiner Privabank überwies. Die Zahlungen stoppten, als die Bank wegen Unregelmässigkeiten verstaatlicht wurde. Kolomojskyj soll sich 5,5 Milliarden Dollar der Bankeinlagen angeeignet haben, bevor er fluchtartig das Land verliess.

Erst nach der Wahl Selenskyjs traute er sich zurück. Mit gutem Grund: Schliesslich hatte er den Wahlkampf des Komikers finanziert. Die beiden kannten sich seit Jahren. Selenskyjs erfolgreiche Fernsehserie «Diener des Volkes», die seinen Aufstieg ironisch vorwegnahm, lief in Kolomojskyjs Sender. Später produzierte Selenskyjs TV-Unternehmen Kwartal auch andere Programme für die Station.

Es besteht der Verdacht, dass Kolomojskyj über die Firmenkonten seines Schützlings Selenskyj schmutziges Geld wusch. Einiges blieb davon auch bei dem späteren Staatschef hängen – was dieser gut investierte. Sollte Selenskyj sein Amt verlieren, muss er sich also nicht sorgen. Ukrainische Kleptokraten-Konten wurden nicht gesperrt, und in London kann er unter mehreren Luxusimmobilien wählen, die ihm gehören.