Was musste Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) nicht alles an Kritik einstecken, als er in seinem ersten Amtsjahr nach Jordanien reiste und dort auch ein Lager mit palästinensischen Flüchtlingen besuchte, welches vom Uno-Hilfswerk UNRWA betreut wird. Diese Einrichtung ist von der Generalversammlung der Vereinten Nationen damit beauftragt, palästinensischen Flüchtlingen Hilfe und Schutz zu gewähren.

Der Schweizer Aussenminister gab nach dem Treffen ein Interview, indem er jedoch die UNRWA als Teil des Problems im Nahen Osten bezeichnete. Sie halte die Hoffnung aufrecht, dass alle Palästinenser einst nach Palästina zurückzukehren. Dies sei unrealistisch, so Cassis vor knapp sechs Jahren.

Ein Sturm der Entrüstung fegte durch die Eidgenossenschaft und den Blätterwald, als hätte der FDP-Bundesrat gegen ein etabliertes Dogma verstossen.

Linke Parlamentarier wie die St. Galler Nationalrätin Barbara Gysi warfen Cassis vor, er bewege sich im Fahrwasser von Donald Trump. Der Genfer SP-Politiker Carlo Sommaruga fand, es gehöre sich nicht, dass ein Schweizer Bundesrat ein Uno-Hilfswerk kritisiere. Auch der damalige Bundespräsident Alain Berset (SP) intervenierte bei Cassis. Hinterher gab die Regierung bekannt, an der Nahostpolitik habe sich nichts geändert.

Heute muss man sagen, dass die Kritik des Tessiners an diesem Uno-Hilfswerk besser altert als jene der Linken an die Adresse von Cassis.

Die UNRWA ist zwar seit langem umstritten, aber was jetzt gegen dieses Hilfswerk international vorgebracht wird, ist kaum zu fassen.

Zwölf Mitarbeitern wird nämlich vorgeworfen, sie seien in die Massaker der Hamas auf Israel am 7. Oktober verwickelt gewesen. Neun von ihnen hat man bisher gekündigt, es laufen auch Strafverfahren. Cassis hatte vollumfänglich recht: Die UNRWA ist Teil des Problems beim Nahost-Konflikt.