Hat er geschummelt? Oder nur den Interpretationsspielraum des Reglements ausgenĂŒtzt?

Auch zwei Tage nach dem Lauberhorn-Triumph des Österreichers Vincent Kriechmayr herrscht Aufruhr im Berner Oberland. Der Weltcup-FĂŒhrende Marco Odermatt, sonst sehr besonnen und zurĂŒckhaltend in seinen AusfĂŒhrungen, spricht vom «Worst-Case-Szenario», sein Teamkollege Niels Hintermann schimpft: «Das ist nur lĂ€cherlich.»

Walter Reusser, Alpin-Direktor beim Schweizer Verband, Ă€rgert sich grĂŒn und blau: «Der Weltverband hat total versagt. Ich bin hĂ€ssig.» Und Swiss-Ski-PrĂ€sident Urs Lehmann geht noch einen Schritt weiter: «Das ist eine der grössten Sauereien, die jemals im Skirennsport passiert sind.»

Grund fĂŒr den Aufruhr: Kriechmayr war wegen eines positiven Corona-Tests und der anschliessenden QuarantĂ€ne erst in der Nacht auf Donnerstag in Wengen eingetroffen und hatte die (fĂŒr einen Rennstart reglementarisch vorgeschriebenen) Trainings verpasst.

Weil die Organisatoren den Doppelweltmeister aber unbedingt dabeihaben wollten, öffneten sie ihm eine HintertĂŒr. Kriechmayr konnte am Morgen vor der ersten Abfahrt am Freitag eine Pseudo-Trainingsfahrt absolvieren, die er nach wenigen Metern abbrach.

So nachvollziehbar die Schweizer Aufregung auch ist, gilt es die sportlichen Tatsachen nicht aus den Augen zu verlieren.

Mit seinem Nichttraining besass Kriechmayr sicher keinen sportlichen Vorteil. Dass er am Samstag gleichwohl eine annÀhernd perfekte Fahrt in den Schnee zauberte, vor allem bei der Hundschopf-Passage, und Beat Feuz um 0,34 Sekunden distanzierte, verdient grössten Respekt.

Dies sieht auch Beat Feuz so: «Viele Athleten gibt es nicht, die ohne richtiges Training gewinnen können. Aber Vincent war vermutlich auch frischer.»

Stellt sich die Frage, ob diese Feststellung nicht die ganze Rennvorbereitung ad absurdum fĂŒhrt. Ist man ohne Trainings schneller (weil erholter)? MĂŒsste man in Zukunft auf die Trainings verzichten?

So oder so: Die Gelassenheit von Feuz wĂŒrde man auch dem Rest der Schweizer Delegation wĂŒnschen. Denn letztlich war es nicht Kriechmayr selber, der diesen unkonventionellen Weg zum Sieg wĂ€hlte. Die FIS wollte es so.

Die 3 Top-Kommentare zu "Der Schweizer Alpin-Chef spricht von «Tricksereien». Nach dem Sieg des Österreichers Vincent Kriechmayr am Lauberhorn gehen die Wogen hoch. Ist man ohne Training im Rennen schneller?"
  • Lush M

    Beat Feuz, ist wie immer ein cooler, pragmatischer Typ, der nur den Sport im Fokus hat. Er beweist Charakter und Grösse. Die Berner OberlÀnder haben absolut richtig entschieden, den Sport ins Zentrum gesetzt. WÀre Kriechmayr krank gewesen, hÀtte er das Lauberhorn Rennen ohne Training nie gewinnen können. Einige sind verÀrgert, weil sie immer noch an einen nicht validierten Test glauben, der eine unglaublich hohe Fehlerquote hat, kann ich verstehen. Es geht um den Sport und Kriechmayr war gesund.

  • simba63

    Wo die FunktionĂ€re das Sagen haben, gehts einfach schief. Das erlebt man ĂŒberall, nicht nur im Sport!

  • Anna Meier

    Alle, die sich Àrgern, weil Kriechmayr gewonnen hat, sollten sich mal fragen, wieso einer gewinnt, der nicht trainieren konnte. Offenbar ist er viel besser als der Rest und damit hat der Richtige gewonnen. Es wird höchste Zeit, dass all die hunderttausen unnötigen Regeln und Gesetze ignoriert werden. Und das gilt nicht nur im Sport.