Es ist das grausigste Gespenst, mit dem Kreml-Propagandisten das Volk erschrecken: eine Landkarte, auf der Russland in siebzehn Teile zerstückelt ist – grosse wie Russland, Komi oder Ural, kleine wie Burjatien, Tatarstan oder Tuwa.

Dies sei das eigentliche Ziel des Westens, die Zerschlagung des flächenmässig grössten Staates der Erde in Einzelstaaten. Quasi Jugoslawien im XXL-Format.

Offizielle Politik ist das nirgendwo im Westen. Aber es ist auch keine fiebrige Albtraum-Fantasie russischer Nationalisten. Denn tatsächlich wird über solch ein Szenario nachgedacht.

So forderte Pentagon-Chef Dick Cheney 1991 die «Demontage» nicht nur der Sowjetunion, sondern auch Russlands. Nur so werde von Moskau keine Gefahr mehr ausgehen. (Cheney, zur Erinnerung, war Architekt des ach so erfolgreichen Irakkrieges.)

Ähnliche Gedanken stellten Strategen wie Brent Scowcroft und Zbigniew Brzezinski an. Es ist nicht auszuschliessen, dass Neocons vom Schlage des einflussreichen Ehepaares Victoria Nuland und Robert Kagan auch heute solchen Tagträumen nachhängen.

Neue Nahrung erhielten die Gedankenspiele durch einen Artikel im Intellektuellen-Magazin The Atlantic und eine Tagung der amerikanischen Helsinki-Gruppe im vergangenen Frühling. Beide forderten die «vollständige Freiheit für die Untertanen des russischen Imperiums», eine «Entkolonisierung».

In den Genuss der «Freiheit von Moskau» sollen jene rund hundert Völker kommen, die auf dem Gebiet der Russischen Föderation leben. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, dass Kalmücken, Baschkiren oder Tataren mehr Eigenständigkeit geniessen, als Cherokee, Navajo oder Sioux in der Kolonialmacht USA.

In Washington weiss man auch, wie diese Freiheit aussehen soll: «nicht notwendigerweise» als staatliche Unabhängigkeit und somit nicht unbedingt «eine vollständige Demontage» Russlands.

Wie beruhigend.

Amerikas Träumereien haben übrigens auch China Appetit gemacht. Im April teilte eine Sendung im Staatsfernsehen den Kadaver eines geschlagenen Russland auf. Jeder bekam ein Stück – China, Estland, Lettland, die Ukraine, Georgien. Sogar die USA durften sich bedienen – mit einem Sprung über die Beringstrasse nach Sibirien.

Was sagte doch Wladimir Putin? «Wozu brauchen wir eine Welt, in der es kein Russland gibt?»

Er sprach im Zusammenhang mit einem vernichtenden Einsatz des russischen Atomwaffen-Arsenals.

Die 3 Top-Kommentare zu "Der Westen will Russland in viele Teile zerschlagen, behauptet Moskau. Alles Kreml-Propaganda? Nein, solche Gedankenspiele gibt es wirklich"
  • Edmo

    Der Wunsch nach einer Zerschlagung und Aufteilung Russlands ist leider in vielen Köpfen angekommen. Seit der Krieg in der Ukraine tobt, sind solche Forderungen von vielen Seiten immer wieder erhoben worden. Es gibt unendlich viele unendlich dumme Leute, die ernsthaft glauben, dieses Ziel wäre ohne die atomare Vernichtung der gesamten Zivilisation erreichbar. Ich frage mich täglich, wie man die Heerscharen von Vollpfosten von der Kriegsgeilheit heilen und zur Lust am Frieden führen kann.

  • beograd

    Es ist klar, dass sie davon träumen, Russland zu zerstören und seinen riesigen Reichtum an Erzen ÖL und Gas zu erlangen. Russland hat alles und der Westen nichts! Aber bevor Russland zusammenbricht, wird auch der gesamte imperiale Westen zusammenbrechen, der auf Diebstahl und Leben auf dem Rücken anderer Menschen IN DER WELT seit immer basiert. Bis jetzt haben viele versucht, Russland zu versklaven... und wir wissen, wie das alles endete.

  • miriam72

    Der Hass auf dieses Land, respektive Putin, muss bei einigen grenzenlos sein. Was waren das für schöne Zeiten, als so jemand wie Jelzin im Kreml saß, der das Land und die russ. Rohstoffe an die Interessen des Westens verkaufte. Destabilisierung von Staat und Gesellschaft waren die Folgen. Ärgerlich, dass Putin – im Sinne Russlands - diese Verhältnisse änderte. Russland zerstückeln, und die übrigen europäischen Länder werden zu den "Vereinigten Staaten von Europa". Grandios! Aber für wen?