Dieser Text erschien zuerst im Magazin Cato.
Wie gross sollte ein Herrschaftsgebiet sein? Die Ansichten hierüber haben sich in der Geschichte gewandelt. Im griechischen Stadtstaat kannten die Bürger einander und konnten einem Rufer zu den Versammlungen folgen. Sie wussten recht gut, wenn sie wählten. Im 19. Jahrhundert favorisierte der Basler Kulturhistoriker Jacob Burckhardt überschaubare Herrschaftsgebiete, indem er schrieb: «Der Kleinstaat ist vorhanden, damit ein Fleck auf der Welt sei, wo die grösstmögliche Quote der Staatsangehörigen Bürger in vollem Sinne sind», also tatsächlich mitbestimmen können.
Die Zeit ist über solch romantische Vorstellungen weitgehend hinweggegangen. Auf die Stadtstaaten folgten Fürstentümer und hernach meist grosse Nationalstaaten wie die Bundesrepublik Deutschland mit ihren 84 Millionen Einwohnern. Damit ist die Entwicklung aber noch nicht an ihr Ende gekommen: Der wichtigste politische Konflikt dieser Tage besteht nicht zwischen «Rechten» und «Linken», die vornehmlich über ökonomische Fragen stritten, sondern zwischen Patrioten beziehungsweise Nationalisten auf der einen Seite und Globalisten auf der anderen. Die Globalisten formen aus den Nationalstaaten Schritt für Schritt eine Weltregierung, wobei völkerrechtliche Verträge ihr wichtigstes Instrument sind. Aus globalistischer Sicht ist die Europäische Union ebenso eine Zwischenstufe zur Weltregierung, wie es die Vereinten Nationen oder aufgabenspezifische Organisationen nach Art von OECD, WHO oder Nato sind.
Die Entwicklung vom Stadtstaat zur Weltregierung verläuft allerdings weder linear, noch ist sie unvermeidlich. Vielmehr gibt es zahlreiche Beispiele der Verkleinerung oder des Zerfalls von Imperien, vom Reich Alexanders des Grossen über Persien und das Römische Reich bis hin zu UdSSR, Jugoslawien oder Tschechoslowakei. Weitere Regionen streben in die Unabhängigkeit, konnten dies aber bisher nicht durchsetzen, etwa Katalonien, Kurdistan, Südtirol, Flandern, das Baskenland oder Korsika. Auch in der EU werden zentrifugale Kräfte stärker. Abkürzungen wie «Brexit», «Dexit», «Frexit» oder «Nexit» dokumentieren das und führen unmittelbar zu der Frage, ob ein Dexit für Deutschland empfehlenswert wäre.
Diese Frage ist komplex. Ich erinnere mich noch gut an Gespräche mit einem älteren, längst verstorbenen Bekannten, der als junger Jurist und Idealist mit Ernst Albrecht nach Brüssel ging, um dort nach zwei Weltkriegen gemeinsam mit anderen Staaten etwas Gutes zu schaffen, ein Friedensprojekt. Dieses war anfangs ausserordentlich erfolgreich: Es gab sechs Gründungsstaaten, und vor allem galt das Einstimmigkeitsprinzip. Keinem Mitglied konnten die übrigen etwas aufzwingen. Der 1992 unterzeichnete Maastricht-Vertrag hat den Charakter der EU wesentlich verändert. Viele assoziieren damit die Stabilitätskriterien und den Euro als gemeinsame Währung. Der zentrale Punkt war aber ein anderer: Mit Maastricht wurden Mehrheitsentscheidungen zum Standard erhoben und verloren die Mitgliedstaaten grosse Teile ihrer Zuständigkeiten. Mit anderen Worten stellte der Vertrag eine klare Verfassungsänderung dar, über die Mitgliedstaaten wie Frankreich oder die Niederlande Referenden mit knappem Ausgang abhielten. So stimmten beispielsweise 51 Prozent der Franzosen für Maastricht, nachdem man sie mit der Ansage geködert hatte, der Maastricht-Vertrag beinhalte ein «Versailles ohne Krieg». Die deutsche Regierung verzichtete auf eine Volksabstimmung, weil sie wusste, dass das Ergebnis negativ sein würde.
Seit diesem Putsch von oben hat sich die EU denkbar ungünstig entwickelt, indem sie ihre Zuständigkeit unter Missachtung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung immer weiter ausdehnte und zu einer Herrschaft des Unrechts degenerierte. Nach Ansicht mancher Kritiker sind Hinterlist, Betrug und Faustrecht die drei zentralen Werte der EU. Hinterlist: Man unterschreibt Stabilitätsverträge in dem Wissen, diese nie einhalten zu können. Betrug: Man fälscht Schuldenstatistiken, bis einen die anderen retten müssen. Faustrecht: Man greift sich ultra vires eine Zuständigkeit nach der anderen in der berechtigten Hoffnung, dass der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht politisch entscheiden und alles durchgehen lassen. In Sachen Bankenunion trat ich als Sachverständiger in Karlsruhe auf. Nirgends ist ein derartiges Instrument im Lissabonner Vertrag vorgesehen, trotzdem wurde die Bankenunion bestätigt. Generationen von Studenten lernten, dass zwar die Mitgliedstaaten in begrenztem Umfang Schulden aufnehmen dürften, dies der Union selbst aber strikt untersagt ist. Trotzdem nahm die EU während der Corona-Krise gigantische Gemeinschaftsschulden auf, nachdem George Soros dazu aufgefordert hatte. Auch für die Bestellung von Milliarden Impfstoffdosen per SMS gibt es im Lissabonner Vertrag keine Grundlage – es wird einfach gemacht, weil man es kann.
Aus staatstheoretischer Sicht ist eine Tätigkeit der EU nur dann geboten und nützlich, wenn sie öffentliche Güter mit unionsweiter Reichweite betrifft; man nennt dies institutionelle Kongruenz. Da es hierfür wenig Beispiel gibt, mischt sich Brüssel in Angelegenheiten ein, die örtlich regelbar wären und dem Subsidiaritätsprinzip folgend nationale Angelegenheit bleiben müssten. Stichworte wie Arbeitszeitrichtlinie, Ökodesign-Richtlinie, Anerkennungsrichtlinie, Datenschutz-Grundverordnung, Lieferkettenrichtlinie, Taxonomieverordnung oder Digital Services Act (DSA) mögen als Beispiele genügen. Brüssel spuckt jährlich Tausende neue Rechtsakte aus, die der Bürger aufgrund ihrer Ausgestaltung als Richtlinie meist gar nicht bemerkt. Dass es etwa eine europäische Aufzugsrichtlinie gibt, die detaillierte und gänzlich überflüssige Vorgaben für Aufzüge in Gebäuden von Lissabon bis Tallin macht, fällt erst dann auf, wenn man selbst einen Aufzug einbauen will.
Die zentrale These dieses Artikels lautet: Deutschland kann keines seiner zentralen Probleme lösen, wenn es Mitglied der EU bleibt. Mehr Wachstum? Brüssels Green Deal mit Flottengrenzwerten, Verbrennerverboten, CO2-Steuern, Zertifikatehandel sowie der gesamte Bürokratiewust für Wirtschaft, Landwirtschaft und Verbraucher stehen dagegen. Sichere Grenzen? Nicht mit den missratenen Konstrukten von Dublin und Schengen. Meinungsfreiheit unterhalb der Strafbarkeitsgrenze? Nicht mit dem DSA. Seriöse und gründliche Zulassungsverfahren für experimentelle Impfstoffe? Nicht mit der European Medicines Agency (EMA), an deren Spitze eine langjährige Pharmalobbyistin steht.
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Politiker, die im deutschen Wahlkampf versprechen, wichtige Probleme zu lösen, zugleich aber am Fortbestand unserer EU-Mitgliedschaft festhalten, bewerben ein unehrliches und undurchführbares Programm. Sie ziehen sich rhetorisch meist auf die Forderung nach einer Reform der EU zurück, also auf eine schlichte Utopie. Noch nie haben Herrscher freiwillig auf Zuständigkeiten verzichtet, Popitz’ Gesetz von der Anziehungskraft des zentralen Etats spricht dagegen, und seit 2009 wurde der Lissabonner Vertrag nicht einmal in Details verändert, weil man antizipierte, dass einstimmige Veränderungen bei 27 Mitgliedern so gut wie unmöglich sind. Auch das Versteckspiel hinter Brüsseler Vorgaben muss ein Ende haben. Wenn Friedrich Merz im jüngsten Woll-Magazin bemerkt, «Wir müssen jetzt wirklich mit dem Abbau der Bürokratie anfangen. Das geht allerdings nur zusammen mit Europa, nicht allein in Deutschland», dann ist dies nur eine verschleierte Ankündigung, nichts zu tun. Edmund Stoiber, der einst als Beauftragter für Bürokratieabbau nach Brüssel wechselte und scheiterte, lässt grüssen.
Die vorstehende Problemanalyse findet erfahrungsgemäss durchaus Zustimmung. Trotzdem gibt es keine Talk-Shows und keine Pro-und-Kontra-Foren, in denen die EU-Mitgliedschaft Deutschlands debattiert wird. Hauptgrund hierfür dürfte das Totschlagargument sein, ein Dexit sei mit immensen Wohlstandsverlusten verbunden. Dies übersieht dreierlei. Erstens darben Staaten wie Norwegen oder die Schweiz, die nie Mitglieder der EU waren, keineswegs vor sich hin, sondern gehören zu den wohlhabendsten. Zweitens hat der mutige Austritt des Vereinigten Königreichs keine nachhaltig negativen Folgen gehabt. Es gab zwar vorübergehende Staus und Anpassungsschwierigkeiten an den Grenzen, die medial aufgebauscht wurden, doch verzeichnet das VK seit einiger Zeit ein stärkeres Wachstum als Deutschland und muss all die seither verabschiedeten neuen Regulierungen nicht ungefragt übernehmen.
Drittens aber, und das ist der wichtigste Punkt, wird die EU nach einem Dexit aller Voraussicht nach nicht mehr existieren. Unsichere Kantonisten wie Schweden, Dänemark oder die Niederlande würden uns sofort folgen, die von Brüssel oft kujonierten Osteuropäer wie Ungarn, die Slowakei oder Polen ebenfalls, und auch in Frankreich, Spanien oder Italien gibt es inzwischen genügend zentrifugale Kräfte. Ohne den grössten Nettozahler, dessen Steuergeld bisher als Kitt für eine weithin ungeliebte Gemeinschaft dient, wäre die EU erledigt. Es kommt nur darauf an, ihre Auflösung friedlich und verträglich zu gestalten und sie durch ein europäisches System des Freihandels zu ersetzen, wie wir es in Gestalt der EWG schon einmal hatten. Zuvor aber muss es einen harten Schnitt geben, der die komplette Auflösung des Brüsseler Molochs beinhaltet.
Das weitere Argument, gemeinsam mit der EU würden wichtige Subventionen entfallen, beruht auf einem Denkfehler, da die hierfür benötigten Gelder ja von den Mitgliedstaaten selbst aufgebracht werden. Mit Wegfall der EU verschwinden diese Mittel nicht, sondern sie verbleiben in den Händen der Nationalstaaten. Schliesslich ist auch die Rückabwicklung des Euro durchaus machbar. Beim Zerfall der Sowjetunion wurden zwar währungspolitische Fehler begangen, indem man den Nachfolgestaaten zunächst erlaubte, weiterhin Rubel zu drucken, doch zeigte schon die Trennung von Tschechien und der Slowakei, wie man es richtig macht. Wie einleitend bemerkt, sind überdehnte Riesenreiche stets irgendwann zerfallen, und das wird bei der EU nicht anders sein. Es ist besser, diesen Prozess zu beschleunigen, als ihn nostalgisch zu verzögern.
Stefan Homburg, geb. 1961, ist Universitätsprofessor im Ruhestand für Öffentliche Finanzen an der Leibniz-Universität Hannover. Er war Mitglied der Föderalismuskommission und des BMF-Beirats. Auf der Plattform X hat er als @SHomburg über 185.000 Follower, auf Youtube betreibt er einen Nachrichtenkanal.
Ein Land kann nur souverän agieren, wenn es seinen grenzüberschreitenden Handel kontrollieren kann. Jedes Freihandelsabkommen untergräbt das. Wenn ich mit Deutschen rede, glaube ich, dass die sich gar nicht vorstellen können, dass die Macht ihres Kaisers Barbarossa nicht von Sizilien bis Spitzbergen reicht. Das scheint wirklich eine genetische Komponente zu sein. Darum müssen wir, um Europa zurückzugewinnen, Deutschland wieder in Herzogtümer und Königreiche aufteilen. Tut mir leid :-)
Die UvdL-EU ist ein Projekt der parasitären Eliten/Globalfaschisten. Über diesen Weg will man eine Welt-Regierung aufbauen, in welchem das Volk nichts mehr zu sagen hat. Also WEG damit! Es sollte nur ein Europa als lockerer Verbund geben, die Nationalstaaten bleiben eigenständig.
Die Frage ist, wer bestimmt der Kurs der EU? Sind das die Europäer, oder ganz andere, globale Kreise? Da die Entscheidungen der EU sich mehrheitlich gegen die europäischen Staaten richten, können wir davon ausgehen, dass die Entscheider nicht im Interesse der europäischen Länder agieren. Gutbezahlte Söldner finden sich überall.....