Die deutsche Regierung hat ihre offizielle Prognose für das Realwachstum 2024 weiter von +0,3 Prozent auf −0,3 Prozent gesenkt, was ein zweites Rezessionsjahr in Serie bedeutet.

Diese Schätzung liegt sogar unter der jüngsten Gemeinschaftsschätzung der Wirtschaftsweisen, die von −0,1 Prozent ausgehen. Wie hiess es doch noch vor Jahresfrist, als Wirtschaftsminister Habeck seine Herbstprojektion vorstellte: «Die Wirtschaftsleistung in Deutschland geht im laufenden Jahr (2023) leicht zurück. Im nächsten Jahr (2024) soll sich die Wirtschaft aber wieder erholen. Dann wird mit einem Aufschwung von 1,3 Prozent, 2025 sogar mit 1,5 Prozent gerechnet.»

Effektiv resultierte 2023 ein reales Minus von 0,3 Prozent, und die gleiche Schätzung gilt nun auch für 2024. Das hindert die Ampel-Wirtschaftskoryphäen aber nicht daran, zum x-ten Mal Wunschvorstellungen zu predigen, statt die Bevölkerung mit der harten Realität zu konfrontieren.

Für 2024 und 2025 verspricht die Bundesregierung erneut einen Aufschwung. Für 2025 wurden die Erwartungen von 1 Prozent auf 1,1 Prozent erhöht. Für 2026 erwartet Wirtschaftsminister Habeck 1,6 Prozent. Dabei blinken die Alarmlampen doch schon seit Monaten. Auch die jüngsten Konjunkturdaten bestätigen die Fortsetzung des industriellen Abstiegs Deutschlands. Es fehlt an Aufträgen, die Bestellungen sanken im August um 5,8 Prozent zum Vormonat, so stark wie seit Januar nicht mehr.

Auch die EU-Sentiment-Indizes von Ende September zeigen Deutschland im Sinkflug. Deshalb ist selbst ein drittes Rezessionsjahr, eine Dauerstrukturkrise, nicht auszuschliessen. Der von SPD-Kanzler Olaf Scholz angekündigte «Doppelwumms» erwies sich als Rohrkrepierer. Statt zweier Boomjahre resultierten zwei Rezessionsjahre. Das ist kein Zufall, denn mit der Ampelkoalition und ihrer kopflosen Energiewende mit Subventionen, Energie-Vorschriften und Verteuerung der Energie wurde die Desindustrialisierung eingeläutet. Solche Aussichten lähmen das Unternehmertum. Es fehlt auch nicht an Kaufkraft. Die ansteigende Sparquote bei gleichzeitig sinkender Investitionsquote zeigt vielmehr, dass selbst die Konsumenten in einem solchen politischen Umfeld vorsichtiger geworden sind.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt ein stetig erodierendes Wachstum. In den fünfziger Jahren wuchs die deutsche Wirtschaft noch mit rund 8 Prozent, in den siebziger Jahren waren es robuste 3 Prozent und bis 2020 noch knapp 1 Prozent. Seither herrscht Flaute. Noch schwerer wiegt, dass nicht nur das Wachstum, sondern auch die Produktivität stetig schrumpft. Seit der Corona-Pandemie bildet Deutschland das Schlusslicht unter den G-7-Ländern, und selbst innerhalb der EU liegt das Land zusammen mit Österreich, Finnland und Estland am Ende der Rangliste.

Diese Wachstumsproblematik wird sich noch verschärfen, einerseits aus demografischen Gründen, aber auch, weil die Deutschen und viele Zugewanderte arbeitsscheuer geworden sind. Immer mehr Leute leben vom Staat, und immer weniger tragen zum Wohlstand bei. Die Arbeitszeit-Reduktionen und die vorzeitigen Pensionierungen sind wesentlich für den Fachkräftemangel verantwortlich.

Dennoch ist die Ampelkoalition immer noch nicht gewillt, vorgezogene Neuwahlen auszurufen, um einen Kurswechsel zu ermöglichen. Sie glaubt wohl, die derzeit tiefen Umfragewerte (SPD liegt bei 16 Prozent, bei der letzten Bundestagswahl 2021 waren es noch 25,7 Prozent), Grüne (heute: 10,5 Prozent, 2021: 14,8 Prozent), FDP (heute: 4,0 Prozent, 2021: 11,5 Prozent) würden sich bis zur nächsten ordentlichen Bundestagswahl im September 2025 erholen.

Vor allem für die Grünen kämen vorgezogene Neuwahlen derzeit ungelegen, weil sie im November 2024 ihre Führung neu bestellen wollen. Aber wenn die Wirtschaft weiter derart schwächelt, die Infrastrukturen weiter zerfallen, die Immigrationsprobleme nicht gelöst werden und die Staatsverschuldung trotz Budgettricksereien ungebremst zunimmt, werden ihre Umfragewerte möglicherweise sogar noch stärker einbrechen.

Dass nun Politiker und sogar Wirtschaftsführer die staatliche Sparwut für den schlechten Geschäftsgang verantwortlich machen, zeigt, wie weltfremd die deutsche Elite geworden ist. Es ist nicht Sache des Staates, mit einer exzessiven Umverteilung ohne Gegenleistung den Privatkonsum mit neuen Staatsschulden am Leben zu erhalten. Dazu kommt die weiter wuchernde Bürokratie. Noch immer benötigt man in Deutschland für die Gründung eines Unternehmens mit 120 Tagen doppelt so lange wie in den meisten übrigen EU-Ländern. Das vielgerühmte E-Government steckt noch in den Kinderschuhen. Deutschland liegt auf dem drittletzten Platz des EU-Rankings. Statt die administrativen Auflagen radikal zu reduzieren, produziert nicht nur der Bundestag, sondern auch die EU laufende neue Gesetze (Lieferkettengesetz, Verpackungsgesetz, Ökodesign-Verordnung etc.), die Deutschland aus dem internationalen Wettbewerb herauskatapultieren. Und schliesslich drohen mit der Pflege- und Krankenhausreform höhere Sozialabgaben.

Die Infrastrukturen verlottern, die notwendigen Stromleitungen sind immer noch nicht gebaut, in puncto Ausbau der Digitalisierung liegt Deutschland auf dem drittletzten Platz der OECD. Der Investitionsstau wird auf rund 600 Milliarden Euro geschätzt. Der öffentliche Verkehr ist derart unzuverlässig, dass die Arbeitsbevölkerung wieder auf private Verkehrsmittel zurückgreifen muss. Die Strompreise sind rund doppelt so hoch wie in den meisten Konkurrenzländern. Allerdings wäre es ein Kardinalfehler, die Schuldenbremse zu lockern, denn auch in Deutschland hat der Staat zu viel Speck angesetzt, und Sparmassnahmen ohne Beeinträchtigung des Wachstums erscheinen vielerorts möglich.

Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Sanktionen gegen Russland und dessen Verbündete, die Corona-Pandemie mit der Neuorganisation vieler Zulieferketten und der wachsende Protektionismus mit Strafzöllen und Kontingentierungen haben zu einem Marschhalt der Globalisierung geführt, was Deutschland als exportlastiges Land mehr als andere trifft. Dass eine Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidenten-Amt die deutschen Exporte in die USA um rund 15 Prozent reduzieren würde, ist dennoch eher Stimmungsmache denn sachlich zu begründen. Und nun provoziert die EU mit ihren Strafzöllen gegen chinesische E-Auto-Exporte in die EU noch Retorsionsmassnahmen, die erneut Deutschland am heftigsten treffen werden.