Ein französischer Privatsender zeigt den Vormarsch der Salafisten in Roubaix. Es hagelt Todesdrohungen. Der Anwalt von Charlie Hebdo fürchtet um die Berichterstattung über den Islam. Die Solidarität der Journalisten kommt später – und mit viel Selbstkritik.

Zu sehen waren: sechs Halal-Metzgereien, Läden für arabische Lebensmittel, drei Buchhandlungen, in denen Propagandaliteratur, Schleier und Nikabs verkauft werden. Ein Spielzeuggeschäft, das Puppen ohne Gesichtszüge anbietet. Ein Restaurant verfügt über Boxen, in denen verschleierte Frauen essen.

Gefilmt wurde im Stadtzentrum von Roubaix, einer Stadt mit 100.000 Einwohnern mit 100 verschiedenen Staatsbürgerschaften.

Die spektakulären Sequenzen des Privatsenders M6 werden von den nüchternen Statistiken des Innenministeriums belegt. In Roubaix wurden 2021 neun Geschäfte, Schulen, Vereine geschlossen: wegen «Separatismus in der Republik».

Am Tag nach der Sendung stilisierte Eric Zemmour Roubaix zum Paradebeispiel für «Le Grand Remplacement», die grosse Umvolkung: «Eine Zivilisation wird durch eine andere ersetzt.»

Die erste Morddrohung traf den Stadtpräsidenten, der die Ruhe in der Stadt und die Stimmen der muslimischen Wähler mit Subventionen und Sozialleistungen kauft.

Die Präsentatorin Ophélie Meunier musste unter Polizeischutz gestellt werden.

Dem 25 Jahre alten Amine Elbahi, der den Reportern die Zustände vorgeführt hatte, wird ein Schicksal wie das des vor einer Schule enthaupteten Samuel Paty prophezeit.

Die Todesdrohungen fanden kaum Beachtung. Nach Tagen erliess Richard Malka, der Anwalt von Charlie Hebdo, einen Aufruf und forderte Solidarität. Er schlug vor, die Reportage auf allen Sendern zu zeigen.

Richard Malka steht seit Jahren unter Polizeischutz: «Wenn man Amine Elbahi nicht lautstark und vorbehaltlos verteidigt, wird es bald keine kritische Berichterstattung über den Islam mehr geben.»

Er blieb nicht ungehört. Spät, aber mit einer seltenen Bereitschaft zur Selbstkritik haben führende Intellektuelle und Journalisten reagiert. Im Figaro veröffentlichten sie einen Appell. International bekannte Schriftsteller und Philosophen haben den Text unterzeichnet: Pascal Bruckner, Luc Ferry, Kamel Daoud, Boualem Sansal, Michel Onfray, André Comte-Sponville, Frédéric Beigbeder: «Es dauerte Tage», bedauern sie in ihrem Aufruf, «bis zu den ersten Solidaritätsbekundungen der Kolleginnen und Kollegen. Es brauchte die Tweets der Politiker, um die Journalisten wachzurütteln.»

Auch langfristig ziehen sie eine deprimierende Bilanz: Die nach dem Attentat auf Charlie Hebdo erhoffte Bewusstseinsbildung war ein «totaler Misserfolg». Die Islamisierung Frankreichs schreitet weiter voran, der abgestumpften Gesellschaft und ihren Medien fehlt es an Kraft und Mut zum Widerstand.