Die Frage ist fast so grundsätzlich wie diejenige vom Huhn und vom Ei: Wer war zuerst da – der Fussball oder der Fussballexperte?

Gab es überhaupt ein Leben vor Günter Netzer, dem früheren deutschen Fussball-Glamourboy, der das helvetische Fernsehpublikum aus der Unwissenheit befreite und mit teutonischer Überzeugungskraft das tat, was hierzulande nicht überall geschätzt wird: die Wahrheit sagen – ohne Rücksicht auf Seilschaften und Vernetzungen?

Doch das Genre des Experten füllt nicht nur Wissenslücken. Es ist auch eine effiziente Arbeitsbeschaffungs-Massnahme für Trainer, Manager und Spieler im Aus- und Ruhestand – oder auf Stellensuche.

Mit der steigenden Zahl von Fussballsendern ist die Zahl der Experten inflationär gestiegen. Mittlerweile gibt es praktisch mehr Fachleute als (aktive) Fussballer – was nicht zur Qualitätssteigerung beiträgt. Waren Gilbert Gress und Hanspeter Latour früher noch Kult, geben sich die Besserwisser im Ringen um ein paar Minuten Aufmerksamkeit heute die Türklinke in die Hand.

Aktuell poltert Kay Voser besonders laut: Er steht bei SRF im Sold und wirkt mit seinen Silberringen und dem schwarzen Look eher wie ein Satanist als wie ein Sportexperte. Als Fussballer gewann er zwar ein paar Titel. Wenn es richtig wehtat, tauchte er aber normalerweise ab.

Nun schlägt sich Voser auf die Seite des Luzerner Jungspunds Ardon Jashari. Dieser war beleidigt, dass er von Nationaltrainer Murat Yakin für das Länderspiel gegen Israel nur auf die Warteliste gesetzt wurde, und hatte ein Aufgebot für die U-21-Auswahl abgelehnt. Von den früheren Nationalspielern Stéphane Henchoz und Kubilay Türkyilmaz wurde er dafür harsch kritisiert. Kubi forderte in seiner Blick-Kolumne den Verband auf, Jashari auszuschliessen: «Gibt’s keine Sanktionen, macht jeder, was er will.»

Das will Voser nicht so stehenlassen. Nun tritt er als Instagram-Richter auf. An die Adresse von Türkyilmaz (62 Länderspiele, 34 Tore) schreibt er: «Was fällt dir ein? Ist dir eigentlich bewusst, welchen Schaden du anrichten kannst? Zumal du selber ein Secondo bist.» Und an Henchoz, immerhin 72-facher Nationalspieler und Legende beim FC Liverpool, textet Voser (null Länderspiele): «Meiner Ansicht nach sind Sie ein schlechter Scout und ein noch schlechterer Experte, da Sie nichts, aber auch gar nichts von Psychologie verstehen.»

Kay Voser hat ein paar Semester Psychologie und Soziologie studiert. Nun darf er seine Weisheiten auf Kosten der Gebührenzahler in die Welt hinausposaunen. Eine bemerkenswerte Konstellation.