Europas Parteienlandschaft zerfällt und macht das Regieren in vielen Ländern zur Unmöglichkeit. Die meisten Wahlen 2024 führten nicht mehr zu klaren Mehrheiten, sondern zu einer Aufsplitterung der Stimmen auf zahlreiche Parteien.

Die Folge: Vielerorts kommt es bei der Regierungsbildung nur noch zu brüchigen Koalitionen oder zu zeitlich tolerierten Minderheitsregierungen. Parteien mit ideologisch völlig verschiedenen Ansichten schliessen sich zusammen, um an der Macht zu bleiben und ihre Ämter und Pfründe weiter auskosten zu können. Sie scheuen auch nicht davor zurück, Konkurrenten aus dem rechten Politspektrum mit unfairen Mitteln wie einer Instrumentalisierung der Gerichte oder des Verfassungsschutzes zu verhindern.

Das war in Frankreich mit der Ausgrenzung des Rassemblement National (von Marine Le Pen) der Fall und wird sich wohl in Deutschland mit der Diskriminierung der AfD bei den vorgezogenen Bundestagswahlen vom 23. Februar 2025 wiederholen. Le Pen wird der Missbrauch von EU-Geldern vorgeworfen, der AfD angeblich nachgewiesener Rechtsextremismus. Dabei stammen die meisten AfD-Wähler aus der ehemaligen CDU- und SPD-Wählerschaft.

In Österreich hat die FPÖ die Nationalratswahlen vom 29. September 2024 klar gewonnen, aber auch dort kommt es dank der Hilfe des scheinneutralen Bundespräsidenten Van der Bellen (Ex-Grüner) zu einer Koalition der Wahlverlierer. Der Wählerwille wird immer öfters übergangen.

Passen Wahlergebnisse nicht ins Konzept der EU-Zentrale – beispielsweise in Osteuropa –, dann wird den Wahlsiegern wie in Georgien Nähe zu Russland oder Korruption unterstellt. Die Wahlsieger haben eine Sistierung der EU-Beitrittsverhandlungen verkündet, was Unruhen im Land ausgelöst hat. Als in Rumänien am 24. November in der ersten Wahlrunde Calin Georgescu als Sieger der Präsidentschaftswahlen hervorging, wurde seine Wahl von zwei unterlegenen Kandidaten vom souveränistischen Lager angefochten, weil er seine Wahlkampffinanzierung nicht offengelegt habe. Es wird ihm unterstellt, dass Russland hinter seinem Wahlerfolg stecke. Die Stichwahl findet am 8. Dezember statt. Bei den Parlamentswahlen vom 1. Dezember siegten die regierenden Sozialdemokraten mit 23 Prozent. Aber sie und die bisher mitregierende PNL werden die Mehrheit verlieren und müssen zusätzliche Koalitionspartner suchen. Die extrem rechten Parteien haben ihren Wähleranteil von bisher 10 auf 30 Prozent oder mehr gesteigert.

Die EU möchte ihre Macht mit weiteren Beitrittsländern zügig ausbauen. Je grösser das Gebilde, umso schwieriger bis unmöglich wird es für die Bürger, die Beamtendiktatur in Brüssel zu überblicken, zu kontrollieren und darauf Einfluss zu nehmen. Eine Mitsprache der EU-Bürger ist eine reine Illusion. Selbst wenn es gelänge, eine Million Unterschriften für ein Referendum (Initiative) in mindestens sieben Ländern zu sammeln, ist ein solcher Bürgervorstoss für das Parlament nicht bindend.

Genau solche Bürgerrechte, die auch für Normalbürger umsetzbar, finanzierbar und für die Regierenden verbindlich sind, wären aber heute in vielen Ländern dringend nötig. Die Schweiz demonstriert doch schon seit Jahren, wie eine Grosse Koalition aus mehreren – auch ideologisch verschieden ausgerichteten Parteien – funktionieren kann, ohne dass es bei jeder Abweichung von Koalitionsverträgen oder verlorenen Abstimmungen im Parlament zu Streitigkeiten, Trotzreaktionen oder Neuwahlen kommen muss. Das Volk und die Regionen entscheiden, ob sie vorgeschlagene Gesetze akzeptieren wollen oder nicht. Die Bürger sind es ja, die unter neuen Gesetzen und staatlicher Regulierung zu leiden haben.

Was es bedeutet, ein unregierbares Land zu sein, demonstriert Bulgarien. Am 27. Oktober 2024 fand in Bulgarien zum zweiten Mal in diesem Jahr eine vorgezogene Parlamentswahl statt. Es ist bereits die siebte Wahl innerhalb von weniger als vier Jahren. Sie war notwendig geworden, nachdem wieder keine Regierungsmehrheit im Parlament gebildet werden konnte. Als Sieger ging erneut die Partei «Gerb» des konservativen dreimaligen Ministerpräsidenten Borissow mit 25 Prozent Wähleranteil hervor. Ihm war es nach der Wahl im Juni nicht gelungen, eine stabile Regierung zu bilden. Auch diesmal gilt es als unwahrscheinlich, dass er Koalitionspartner findet.

Und es würde nicht verwundern, wenn es in den nächsten Tagen auch in Frankreich zu einem Eklat kommen würde, denn die Budgetdiskussionen könnten sich als Sprengfalle für die Minderheitsregierung Barnier erweisen. Ende Juni und am 7. Juli fanden in Frankreich vorgezogene Parlamentswahlen statt. Es kam zu einem Links- und Rechtsrutsch. Da Präsident Macron weder dem linken noch dem rechten Lager den Regierungsauftrag erteilen wollte, setzte er den Republikaner Michael Barnier als Premier ein, dessen Partei selbst nur über 47 der 577 Sitze im französischen Parlament verfügt.

Barnier kam im September ins Amt und hat eine erste Misstrauensabstimmung überstanden, obwohl er selbst im 577-köpfigen Parlament nur über ein Regierungsbündnis von 213 Sitzen, die Opposition aber über 364 Sitzen verfügt. Allerdings besteht die Opposition aus den beiden politischen Extremflügeln, sodass sie nur in seltenen Fällen gemeinsam gegen die Regierung agieren wird. Dennoch ist Barnier vom Wohlwollen des Rassemblement National (126 Sitze) und des linkspopulistisch dominierten Bündnisses Neue Volkfront (NFP mit 193 Sitzen) abhängig. Dieses Wohlwollen könnte bald aufgekündigt werden.