Man muss Thüringens AfD-Landes- und -Fraktionschef Björn Höcke nicht mögen, aber wie man nationalsozialistisches Gedankengut gewiss nicht bekämpft, kann man am Prozess gegen Höcke vor dem Landgericht Halle derzeit beobachten.

Höcke wird vorgeworfen, im Jahr 2021 die verbotene Parole von Hitlers Sturmabteilung (SA) «Alles für Deutschland» verwendet zu haben. Wie oft im Zuge der Vorberichterstattung und der Prozessberichte der Spruch geschrieben und gesprochen wurde, lässt sich allerdings kaum ermitteln. Wenn man von einigen Tausend Mal ausgeht, ist es vermutlich eher konservativ geschätzt. Wer den Spruch bisher noch nicht kannte, kennt ihn sicher jetzt.

Dass der frühere Geschichtslehrer Höcke die SA-Parole tatsächlich vorher nicht kannte, wie er unlängst im TV-Duell mit Thüringens CDU-Chef Mario Voigt erklärte, kann man ihm glauben, muss man aber nicht. Dass er sie nach der ersten Anzeige erneut öffentlich verwendete, spricht eher für Letzteres.

Höcke jonglierte schon immer gern mit NS-Versatzstücken, spricht von «tausend Jahren Deutschland» und kann sich darauf verlassen, dass die gewünschten Assoziationen nicht justiziabel sind. Er spricht von einer «erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad» und lässt offen, wohin dieser Rückweg führen soll. Kurz: Der SA-Spruch passt ins Bild.

Dass man Höcke ausgerechnet mit einem Allerweltsspruch wie «Alles für Deutschland» am Nazi-Schlafittchen packen möchte, mag juristisch möglich und wasserdicht sein, wirklich überzeugend ist es nicht. Inhaltlich spielt die Parole in der Liga von «America first». Das viel grössere Problem besteht darin, dass die Ablehnung der aktuellen Bundespolitik vieler AfD-Unterstützer so heftig ist, dass ihnen die NS-Jonglagen Höckes egal sind.

Darüber sollten die etablierten Parteien nachdenken. Mit Prozessen, Ordnungsgeldern oder Aberkennung der Bürgerrechte Höckes wird man daran nichts ändern. Wohl eher im Gegenteil.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Höckes Allerweltsspruch: Warum der Prozess gegen den AfD-Politiker vielleicht juristisch verfangen mag, aber politisch nicht überzeugend ist"
  • aliasmailster

    Es soll ein Schauprozess werden zur Abschreckung aller Regime-Gegner, die den Staats-Faschismus satt haben und etwas tun wollen für das Land. Das Vorgehen von totalitären Diktaturen folgt immer demselben Muster und anhand der Geschichte kann man vorausahnen, was als nächstes folgt. Und da lässt sich nur ein Fazit treffen: Wenn wir uns nicht umgehend gegen diese grünfaschistische Diktatur wehren, wird es enden wie in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts! WIDERSTAND JETZT!

  • Socrates9Zico10

    Wenn Deutschland noch ein Rechtsstaat und die Justiz unabhängig ist, dann muss Höcke unbeschadet aus diesem politischen Schauprozess, ja dem Versuch dieser politischen Hinrichtung hervorgehen! Bisher hat Höcke dies immer geschafft, da die AfD sehr gute Anwälte hat!

  • Socrates9Zico10

    Die AfD liegt bisher und auch trotz BSW in den Umfragen zu den Landtagswahlen in Thüringen mit ca.10% Vorsprung meilenweit vor der zweitplatzierten CDU! Durch diesen politischen Schauprozess wird dieser Vorsprung noch größer werden! Wird die Landtagswahl in Thüringen nach einem sehr wahrscheinlichen AfD-Sieg wie 2020 wieder rückgängig gemacht?