Wie Staatsleute auf höchster Ebene von andern Staatsleuten einseitig informiert werden, konnte ich unlängst beim Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán erfahren. In seinem Vortrag auf Einladung der Weltwoche sagte dieser in Zürich, er werde helfen, dass das institutionelle Abkommen der EU mit der Schweiz zustande komme. Ungarn übernimmt 2024 nämlich turnusgemäss die EU-Ratspräsidentschaft. Ich erschrak.

Später, bei einem Nachtessen in kleinerem Kreis, fragte ich Viktor Orbán: «Warum glauben Sie, dass wir Schweizer diesen institutionellen Rahmenvertrag brauchen?» Er antwortete: «Ich war gestern zu Besuch bei Bundespräsident Berset und Bundesrat Cassis, und beide haben betont, das Land benötige den Vertrag wegen des Zugangs zum Binnenmarkt.» Und das leuchte ihm – dem ungarischen Ministerpräsidenten – ein.

«Herr Orbán, unsere Familienbetriebe erzielen riesige Umsätze im Export, teilweise über 90 Prozent, und zwei Drittel in die EU. Wir haben längstens Zugang zum Binnenmarkt. Aber ein Mitglied des Binnenmarktes ist die Schweiz nicht und will es auch nicht werden. Wir wollen in der Schweiz die Zukunft selber bestimmen.»

Orbán fragte nach, ob dies denn bei einem Rahmenvertrag nicht mehr möglich sei. Ich bekräftigte: «Natürlich nicht, denn dann würden unsere Bürger um ihre Gesetzgebungskompetenzen gebracht, und die EU würde über alle Stufen der Schweiz durchregieren.» Orbán meinte hierauf, das hätte ihm freilich niemand so erklärt.

Das Beispiel zeigt, wie einseitig fremde Staatsleute von den eigenen Bundesräten informiert werden.

Zumindest Ministerpräsident Viktor Orbán aber weiss jetzt: Die Schweizerinnen und Schweizer akzeptieren keinen Vertrag, bei dem sie das Stimmrecht an die Europäische Union abtreten müssen.