Seit Donnerstag vergangener Woche ist unsere Familie um vier Verwandte aus der ostukrainischen Stadt Sumy gewachsen. Meine Cousine Olga Tscherepowa (46) und ihr Mann Anatoli Tscherepow (60) sind mit den Kindern Michail (17) und Mascha (9) bei uns eingezogen.

Improvisation ist gefragt. Denn wir wohnen (wegen eines Umbaus) auf halb so viel Platz wie gewöhnlich mit doppelt so vielen Personen. Aber das Erstaunliche ist: Es funktioniert tadellos – weil sich die Gäste rührend darum bemühen, mitzuhelfen, und weil die Solidarität im Umfeld überwältigend ist – von Freunden, Bekannten, der Gemeinde, aber auch von fremden Menschen. Unter anderem hat der Verwaltungsratspräsident der Modekette Tally Weijl, Beat Grüring, unkompliziert entschieden, dass sich alle Menschen mit ukrainischem Pass in ihren Filialen neu einkleiden dürfen. Für Mascha Tscherepowa war das wie Weihnachten und Geburtstag zusammen.

Doch über allem hängt der Schrecken des Krieges. Tröpfchenweise erzählen unsere Gäste, was sie auf ihrer Flucht durchgemacht haben. Vor allem in den Städten herrsche panische Angst. Der Lärm der Waffen sei lähmend, an Schlaf sei nicht zu denken gewesen. Besonders die Kinder stehen unter Schock, sagt Olga – und nimmt ihre Tochter in den Arm.

Und wie geht diese tragische Geschichte aus? Niemand weiss es. Aber Olga und Anatoli geben sich kämpferisch: «Wenn es Wahrheit und Gerechtigkeit gibt, hält die Ukraine stand. Die Russen dachten, dass sie unser Land in zwei Tagen überrennen. Und jetzt stossen sie auf erbitterten Widerstand. Unsere Soldaten geben nicht auf.»