Deutsche Unternehmen klagen über einen Mangel an Aufträgen wie seit 2009 nicht mehr. Gemäss einer Ifo-Umfrage beschwerten sich im Oktober 47 Prozent der deutschen Industrie- und 32 Prozent der Dienstleistungs-Unternehmen über zu wenig Bestellungen. Betroffen sind vor allem die Maschinenbauer, aber auch die Metall- und Elektroindustrie.
Rund zwei Drittel der Personalagenturen klagen über mangelnde Aufträge, und etwas mehr als ein Drittel der Gastronomiebetriebe haben zu wenig Gäste. In der Veranstaltungsbranche liegt der Anteil von Unternehmen, die über zu wenig Aufträge klagen, bei 49 Prozent.
Einzig Rechts- und Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer blicken derzeit weniger sorgenvoll auf ihre Auftragslage. Hoher Bürokratie- und Regulierungsaufwand sollen ihnen eine hohe Nachfrage nach Beratung bescheren. Das bedeutet zwar Arbeit, aber wohl keinen echten Beitrag zum Wohlstand Deutschlands.
Dass sich die deutsche Wirtschaft von den übrigen grossen EU-Volkswirtschaften mehr und mehr abkoppelt, zeigen auch die Oktober-Indizes der EU zum Geschäftsklima in der Gesamtwirtschaft. Deutschland liegt klar hinter Spanien, Italien und Frankreich zurück. Die Einkaufsmanager-Indizes zeigen im Oktober eine marginale Verbesserung, aber insgesamt befindet sich der Industrie-Index seit 28 Monaten im Stagnations- oder sogar Rezessionsbereich. Auch im Dienstleistungssektor sind die Kapazitäten nicht ausgelastet, und der Jobabbau setzt sich bereits zum vierten Mal hintereinander und diesmal sogar beschleunigt fort. Dennoch nahm der Lohndruck abermals zu. Nicht nur die Regierung, auch die Gewerkschaften werden zu spät realisieren, dass sie zu hoch gepokert haben.
Die Wirtschaftsschwäche ist in Deutschland auch bei den Steuereinnahmen angekommen. Die Einnahmen liegen hinter den Erwartungen zurück. Damit hat Deutschland nicht nur ein Ausgaben-, sondern auch ein Einnahmenproblem. Um die Staatsfinanzen wieder ins Lot zu bringen, müsste die Wirtschaft dringend wieder in Fahrt gebracht werden. Es geht um die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland.
Die jüngsten Entlassungen von Tausenden von Arbeitnehmern (Alstom, Deutz, Bosch, Schaeffler, ZF, VW, Audi, Infineon, Coca-Cola, Emma) sind besorgniserregend. Die Wahlniederlagen der Ampelparteien im Osten Deutschlands waren wohl ein Weckruf für die Regierenden in Berlin, aber sie wurden zu spät bemerkt. Das überhastete Zusammenschustern von «Konjunkturprogrammen» zur Wiederbelebung der Wirtschaft und die Streitereien darüber, ob die Probleme weiterhin mit Staatssubventionen überdeckt oder mit liberalen Rezepten in Fahrt gebracht werden sollen, waren schon fast ein Trauerspiel. Die «Wirtschaftsprogramme» der SPD, der Grünen und der FDP sind denn auch bereits Makulatur.
Die Deindustrialisierung war eigentlich schon beim Start der Ampelregierung ein Thema, aber damals träumte man noch von Wachstum dank Millionen von neuen «grünen Jobs». Alle anderen politischen Themen erschienen wichtiger als das Wirtschaftswachstum und der sparsame Umgang mit Steuermitteln. Aber nun hat die Realität auch die deutsche Regierung eingeholt.
Wie in den USA ist die deutsche Regierung über die Vernachlässigung der Wirtschaft gestolpert. Die Ampelkoalition ist geplatzt, und es wird weiter wertvolle Zeit verstreichen, bis eine neue Regierung in die Tagesgeschäfte eingearbeitet ist.
Die Koalitionsverhandlungen werden schwierig werden. Bei einer weiteren Ausgrenzung der AfD werden erneut konträre Ideologien unter einen Hut gebracht werden müssen, was früher oder später zu Konflikten innerhalb der Regierung führen wird.
Die Ampel hat es vorgemacht, wie solches Regieren um jeden Preis letztlich dem Land schadet. Wenn die Wahlen erst im Februar 2025 abgehalten werden und weitere zwei Monate für Koalitionsverhandlungen dazukommen, wird die neue Regierung frühestens in sieben Monaten, im Juni 2025, stehen. Zu spät. Deutschland steht ein weiteres Krisenjahr bevor.