Als Russland in die Ukraine einmarschierte, leitete die indische Regierung rasch die Operation Ganga ein. Dabei handelte es sich weder um eine Militäroperation noch um die Lieferung von Waffen an die Ukraine, sondern um eine Operation zur Rettung der 500 in der Ukraine gestrandeten indischen Studenten.

Ansonsten war die Haltung Indiens gegenüber der Ukraine ausgesprochen unverbindlich. Premierminister Narendra Modi äusserte seine «tiefe Betroffenheit über den Verlust von Menschenleben» und rief zum Dialog und zur Beendigung der Gewalt auf. Er sei bereit, «in irgendeiner Weise zu den Friedensbemühungen beizutragen». Bla, bla, bla; nicht mehr als formelhaftes Geschwafel.

Als es um die UN-Abstimmung zur Verurteilung von Putins Invasion ging, enthielt sich Indien der Stimme. Indien ist das einzige Mitglied der «Vierergruppe» – zu der auch die USA, Japan und Australien gehören und deren Ziel es ist, Chinas Expansion im indopazifischen Raum zu verhindern –, das keine Sanktionen gegen Russland verhängt.

Putin ist der Verbündete von Xi Jinping, und China ist bekanntlich Indiens langjähriger Feind und geopolitischer Rivale. Warum also ist Modi scheinbar so ambivalent?

Die Gründe liegen in der Geschichte. Im ersten Kalten Krieg waren die neomarxistischen Führer Indiens, Jawaharlal Nehru und seine Tochter Indira Gandhi, Verbündete der Sowjetunion. Als Gegengeschäft für Waffen und Rohstoffe verkaufte Indien den Sowjets minderwertige Konsumgüter. Sie unterstützten Indien zudem in seinem Krieg mit Pakistan im Jahr 1971, der die blutige indische Invasion Ostpakistans, dem heutigen Bangladesch, einschloss.

Indien kauft immer noch mehr Waffen von Russland als von Amerika. Präsident Biden hat sich darüber beklagt, dass Indien in Bezug auf die Ukraine «etwas wackelig auf den Beinen» sei, keine klare Haltung zeige. Er hat Indien dringend aufgefordert, weniger Öl zu kaufen. Schon jetzt tut es das Gegenteil. Langfristig wird Indien wahrscheinlich auch russisches Gas kaufen müssen.

Daher liegt ein geopolitischer Balanceakt vorläufig in Indiens Interesse. Wie sagte doch der indische Aussenminister Subrahmanyam Jaishankar?: «Ich denke, wir sollten uns für eine Seite entscheiden, und das ist unsere Seite.» Welches Land würde das anders sehen?

Die 3 Top-Kommentare zu "Keine Sanktionen: Modi erhöht seine Ölimporte aus Russland, dem grössten Waffenlieferanten seines Landes. Seine Politik: «India First». Wer will ihm das verübeln?"
  • Irene 15

    Noch etwas zu Indien. Nachdem ich von der einseitigen und beinahe gleichgeschalteten Presse in D, CH, USA etc. irritiert und enttäuscht war, habe ich indische Outlets gelesen. Ist erhellend, keine Hysterie, keine Dämonisierung. Sicher, Indien verfolgt eigene Interessen und man muss das mit Vorsicht geniessen. Aber in punkto Unaufgeregtheit können wir lernen. Frieden ist das Wichtigste und für den Frieden muss man viel tun. Über den eigenen Schatten springen, als Klügerer nachgeben?

  • Edmo

    Welches Land würde das anders sehen? Die Schweiz ganz sicher, Deutschland ebenso, die EU, sofern es nach Frau von der Leyen geht, erst recht. Bei vielen anderen westeuropäischen Ländern bin ich mir nicht ganz sicher, aber zumindest nach aussen sehen sie das ebenfalls völlig anders als Modi. Die USA sehen es gleich wie Modi, finden allerdings, dass Modi ein schlechter Mensch ist, weil er für Indien Profit aus der Sache schlägt, den die USA für sich angedacht haben.

  • hallerhans

    Liebe Leute seid nicht naiv. Keiner wird diese Sanktionen wirklich mitmachen und durchhalten können. Und Indien macht es besser als wir Schweizer es gemacht haben. Und noch etwas gilt es zu beachten, jene die Sanktionen fordern, umgehen diese wahrscheinlich letztlich selber. Die USA importieren (ohne Not) russisches Erdöl. Ja Russland ist sogar derzeit der 3. grösste Lieferant bei US-Importen von Erdöl. Darüber wird bei uns kaum was berichtet.