Im Leben sieht man sich immer zweimal, ermahnt eine Weisheit zum höflichen Umgang mit Mitmenschen. Das erspart beim Wiedersehen Ärger oder Scham.

Was ritt dann Italiens Regierungschef Mario Draghi, als er letztes Jahr den türkischen Präsidenten Erdogan einen «Diktator» nannte? Rechnete er nicht damit, ihm je wieder zu begegnen?

Natürlich nicht.

Jetzt fuhr er nach Ankara und schüttelte dem Despoten die Hand. Rom braucht die Türkei: Von dort kommen Gas und immer mehr Migranten.

Kröten schlucken gehört zum Geschäft. Man nennt es Realpolitik. Die Frage ist nur, ob man sich die Lurche ohne Not selber auf den Teller setzen soll.

Warum nicht höflich bleiben?

Was uns zu Joe Biden bringt, der Wladimir Putin als «Schlächter» und als «Kriegsverbrecher» abputzte – in einer Reihe mit Adolf Hitler, Ratko Mladic und vermutlich auch Dschingis Khan.

Was dachte Biden? Dass er den Kremlchef nie wieder sehen wird?

Schon im November beim G-20-Gipfel könnte das der Fall sein.

Und dann ist da das Ende des Ukraine-Krieges, für das man auch die russische Führung braucht.

Wer von den beiden sich wohl mehr auf ein Wiedersehen freut?

Die 3 Top-Kommentare zu "Letztes Jahr Diktator, jetzt umworbener Freund: Italiens Ministerpräsident Draghi führt in der Türkei vor, wie man realpolitisch Kröten schluckt. Besteht auch Hoffnung für Putin?"
  • thomas hartl

    «Warum nicht höflich bleiben?» - Das frage ich mich bei vielen Kommentaren in diesem Form auch. Bei Bidens rauer Wortwahl sehe ich eine Strategie: Man will die Verantwortung dieses Angriffskrieges und der begangenen Kriegsverbrechen nicht auf «die Russen» abwälzen, sondern gezielt auf den Mann an der Spitze. Auch wenn das vielleicht nicht immer absolut stimmt, so begrenzt es doch die um sich greifende Russophobie etwas. Es ist jedenfalls besser, als gegen das ganze russische Volk zu hetzen.

  • Rasiermesser

    "Und dann ist da das Ende des Ukraine-Krieges, für das man auch die russische Führung braucht." Zuvor braucht es russisches Militär, welches sicherstellt, dass die neuen globalen Verhältnisse nach dem Fall der Ukraine neue Regierungsvertreter auch im Westen braucht: Was in der Ukraine heute & in Zukunft geschieht, entscheidet nicht mehr der Westen: Die politischen, wirtschaftlichen & gesellschaftlichen Verhältnisse werden komplett umgebaut - nicht nur in der Ukraine, doch im gesamten "Westen"!

  • Schweizer-im-Ausland

    Wartet ab wenn der Krieg vorbei ist und die Geschichte etwas aufgearbeitet wurde. Erst dann wird nicht nur eine Kröte geschluckt, sondern mehrere Blauwale verschlungen. Es wird dann geschleimt, angebiedert, devot aufgetreten und die Füssen von Russland geschleckt, was das Zeug hält, weil halt Russland sehr, sehr viele Rohstoffe hat.