Die Mitte-Partei der Schweiz hat sich in jüngster Vergangenheit immer wieder als Partei aufgespielt, die den administrativen Aufwand für Unternehmen abbauen werde. In der Praxis tut die Partei aber oft das Gegenteil. So fordert der Tessiner Mitte-Nationalrat Marco Romano für öffentliche Beschaffungen in der Schweiz die Einführung eines Anti-Mafia-Zertifikates, ausgestellt vom italienischen Staat. Er möchte diese Zertifikatspflicht sogar auf kantonaler Ebene einführen.

Romano hält in seinem Postulat Folgendes fest: In Italien müssen Gesellschaften, Unternehmen und Konsortien, die an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen und andere Dienstleistungen für die öffentliche Verwaltung erbringen wollen, im Besitz eines Anti-Mafia-Zertifikats sein und dieses einreichen.

Das Anti-Mafia-Zertifikat ist ein Dokument, das für Personen ausgestellt wird, die eine Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung anstreben. Es wird ausgestellt, wenn nachgewiesen ist, dass keine Gründe für eine Disqualifikation, eine Suspendierung oder ein Verbot und keine Versuche der Unterwanderung durch die Mafia vorliegen.

Das Zertifikat bestätigt, dass gegen die antragstellende Person keine besonderen Überwachungsmassnahmen in Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit, kein Aufenthalts- oder Ausreiseverbot und keine rechtskräftige oder pendente Verurteilung wegen Fälschung, unerlaubten Verkehrs mit Abfällen, scambio elettorale politico-mafioso (Zusage von Wahlstimmen durch das organisierte Verbrechen), Zugehörigkeit zu in- und ausländischen kriminellen Vereinigungen und Entführung von Personen zum Zweck der Erpressung vorliegen.

Das Zertifikat wird nach Abfrage einer spezifischen nationalen Datenbank von der am jeweiligen Ort zuständigen italienischen Präfektur ausgestellt. Nationalrat Romano glaubt, dass auch in der Schweiz das Schutzniveau in Bezug auf die Unterwanderung durch die Mafia erhöht werden müsse. Deshalb sei es zweckmässig, zu prüfen, ob Firmen, deren Hauptsitz des Stammhauses in Italien liegt, bei einer Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen von Aufträgen des Bundes und bundeseigener Unternehmen auch in der Schweiz dieses Dokument verlegen müssten.

Bleibt nur noch die Frage, wer denn aus der Schweiz nach Italien entsandt wird, um sicherzustellen, dass jene Leute, die diese staatlichen Anti-Mafia-Zertifikate ausstellen, nicht selbst bestochen wurden. Und wer überprüft die Echtheit und Gültigkeit der Zertifikate?

Dafür werden wohl neue Beamtenstellen geschaffen werden müssen, die für diese anspruchsvolle Aufgabe wohl auch noch Ausbildung benötigen. Die Gebühren für die Beschaffung der Zertifikate und deren Überprüfung bezahlt dann der Steuerzahler oder das Unternehmen. Es handelt sich um vermeintliche Kleinigkeiten, aber es ist genau solch bürokratischer Ballast, der die Kosten für unsere öffentliche Verwaltung und die Unternehmen in die Höhe treibt.

In seinem 38-seitigen Bericht lehnt der Bundesrat dieses Ansinnen Anfang Dezember 2024 glücklicherweise ab. Das öffentliche Beschaffungsrecht der Schweiz enthalte und erlaube im Staatsvertragsbereich keine Teilnahme-Anforderungen an die Anbieter und Subunternehmer, welche an deren Sitz anknüpfen. Spezielle Anforderungen an Unternehmen aus Italien verstiessen zudem gegen das Gebot der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung und liessen sich mit einer Sitzverlegung leicht umgehen.

Die meldepflichtigen Unternehmen könnten das Anti-Mafia-Zertifikat nicht von der zuständigen italienischen Behörde verlangen, und die schweizerische Beschaffungsstelle habe keinen Zugang zur italienische Anti-Mafia-Datenbank. Sie könnte aber versuchen, über die schweizerische Botschaft in Rom mit den italienischen Behörden Kontakt aufzunehmen, was wiederum das Beschaffungsverfahren verzögern würde.

Was nicht erwähnt wird: Einmal mehr wird versucht, eine Beweislastumkehr einzuführen. Oder geht es Romano lediglich darum, die ausländische Konkurrenz für Bauunternehmer im Tessin auszubooten?