Putin spielt mit dem Gashahn – und der Angst des Westens.

Zudrehen, ein bisschen öffnen, dann wieder drosseln. Von Spanien bis Deutschland bibbert man bereits, während draussen noch die Sommersonne wärmt.

Das Schreckensszenario: Putin dreht den Hahn ganz zu.

Soweit werde es nicht kommen. «Putin blufft», schreiben Energie-Experten im Wall Street Journal. «Russlands Ruf und seine Wirtschaft hängen davon ab, dass die Nord-Stream-Pipeline in Betrieb bleibt.»

Bereits eine Drosselung auf 20 Prozent der Lieferkapazität, wie jüngst geschehen, habe langfristig massiv negative Konsequenzen für Russland.

«Im Gegensatz zu Rohöl, das mit Tankschiffen auf andere Märkte umgelenkt werden kann, kann Gazprom sein überschüssiges Gas aus dem Norden nicht in andere Länder transportieren», so die Energieexperten. «Dazu wären massive neue Pipeline-Systeme erforderlich, deren Bau Jahre dauern würde. Gazprom könnte einen Teil des Gases in Lagerstätten umleiten, aber die Tanks sind bereits fast voll, um sich auf den Winter vorzubereiten.»

Kurz: Pipeline-Betreiberin Gazprom hätte bei einer Abschaltung der Nord-Stream-Pipeline keine andere Wahl, als Gasquellen im Norden grossflächig abzuschalten.

«Im Laufe der Zeit kann es bei stillgelegten Bohrlöchern zu Flüssigkeits-Ansammlungen kommen, die die darunter liegende Lagerstätten-Struktur bedrohen, so dass einige Bohrlöcher nicht mehr in die volle Produktion zurückkehren können.»

Als letzten Ausweg könnte Gazprom das überschüssige Gas abfackeln, wodurch die Umwelt geschädigt und Geld verbrannt würde.

Ausserdem könnte eine langfristige Drosselung der Gaslieferung die Pipeline lädieren. Zubehörteile, die das in die Pipeline strömende Gas regulieren, könnten durch den Betrieb mit geringerer Kapazität beschädigt werden.

Und: «Eine totale Abschaltung während des Winters würde eine komplette Überholung der Nebenanlagen der Nord-Stream-Pipeline erfordern, und niemand kann wissen, welche Schäden die Pipeline und die dazugehörige Infrastruktur erleiden würden.»

Es gibt keinen Anlass, wegen Russlands Drohungen in Schreckstarre zu verfallen.

Putin pokert.

Aber sein Blatt ist schlechter, als manch einer im Westen befürchtet.

Die 3 Top-Kommentare zu "Putins Gas-Bluff: Schliesst Moskau die Nord-Stream-Pipeline, leidet Russland mehr als der Westen"
  • Geronimo

    "Das amerikanische The Hill ist in diesem Punkt geradezu pessimistisch: „Das Ergebnis von Europas eigenem Energieexperiment ist ein tödlicher Winter. Eine Kombination aus utopischen Klimainitiativen, Inflation, sinkender Produktion fossiler Brennstoffe in den USA und der mangelnden Bereitschaft, russisches Öl oder Erdgas zu kaufen, könnte in diesem Winter mehrere hunderttausend Menschen auf dem gesamten Kontinent das Leben kosten"

  • Roli

    Die EU liess Gazprom Nordstream 2 bauen und nahezu fertigstellen um dann im letzten Augenblick das Projekt abzuwürgen. Es fragt sich wer hier blufft. Fakt ist, auch wenn die Gazprom ihr Gas nicht verkaufen kann, kalt wird’s auf jeden Fall in Europa. Und da können sich die Europäer selber an der Nase nehmen. In der Russischen Föderation wird’s diesen Winter wohl kuschelig warm sein! Wie bestellt so geliefert! Wenn einen freut ist’s der Ami!

  • Da wär noch was

    Irrtum, Putin pokert nicht mit dem Gas. Die EU und insbesonders D haben ausreichend lautstark verkündet, dass sie so schnell wie möglich aus dem russischen Gas und den anderen fossilen Energieträgern aussteigen, nach Baerbock für imner. Dieser Markt ist weg und nur für die nächsten paar Jahre hat Russland mit dem Gashahn einen wirksamen Hebel und er wird genutzt werden. Zudem ist es ein Irrglaube, dass dann nur etwas gefroren wird, wenn Prozesswärme und Rohstoff Methan wegfallen, dann gute Nacht