Eine «unheilige Allianz» der vereinigten Linken und des rechten Rassemblement Nationale (RN) von Chefin Marine Le Pen haben je eine Misstrauensantrag gegen Premier Barnier gestellt. Das Fass zum Überlaufen brachten die Budgetdiskussionen, die Premierminister Barnier mit einem Dekretbeschluss beendete und seine Vorschläge unter Umgehung des Parlamentes durchsetzte.

Die Linken haben sich im Voraus gegen eine Unterstützung des RN-Antrages ausgesprochen, aber Le Pen schloss ihrerseits eine Unterstützung der Linken nicht aus. Deshalb kam es am 4. Dezember zu einem Sturz der bisherigen Regierung Barnier nach nur drei Monaten Amtszeit. Das Verdikt fiel klar auf – mit 331 der 577 Stimmen, das sind 33 Misstrauensvoten mehr als notwendig.

Kurz vor der Abstimmung rechtfertigte Barnier nochmals den Sparhaushalt in der Nationalversammlung. Barnier jammerte über die hohe Zinslast von rund 60 Milliarden Euro pro Jahr, die sogar die Rüstungsausgaben übertreffen würde. Trotz des Misstrauensvotums werde die miese Finanzlage Frankreichs nicht verschwinden. Vor allem würde Frankreich (wie auch Deutschland) das neue Jahr ohne verabschiedeten Staatshaushalt starten müssen.

Wie die Finanzmärkte darauf reagieren werden, ist noch ungewiss. Möglicherweise wird die Europäische Zentralbank (EZB) mit Aufkäufen von französischen Staatsanleihen die ersten Schockwellen abzufedern versuchen.

Das Scheitern der Regierung Barnier zeigt, wohin die Selbstüberschätzung der vermeintlich liberalen Kräfte führt, wenn sich diese aus ideologischen Gründen nicht mit den ihnen am nächsten stehenden rechten Parteien zu einer Koalition zusammenschliessen wollen und selbst als Wahlverlierer noch glauben, sie hätten Anspruch auf die Staatsführung.

Das hat auch die NZZ noch nicht kapiert, die zwar erkannt hat, dass Marine Le Pen inzwischen zur mächtigsten Person im französischen Politbetrieb aufgestiegen ist, da sie die Regierung von der Oppositionsbank aus vor sich hertreibt. Aber sogleich folgt die Warnung, dass sie Gefahr laufe, zu weit zu gehen – und tief zu fallen riskiere. Seit wann setzt eine NZZ einer ausländischen Oppositionspolitikerin, die von den Mainstream-Medien seit Jahren ausgegrenzt wird, die Grenzen, innerhalb deren sie sich betätigen darf?

Auch wenn Le Pen bei den letzten Wahlen von 2017 du 2022 jeweils in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen dem heutigen Präsidenten Macron unterlag, so bleiben ihre Chancen für die nächsten Wahlen im April 2027 intakt, denn wenn der wirtschaftliche Abstieg Frankreichs weiter geht, wird die Unzufriedenheit im Land zunehmen und zu Proteststimmen führen, die vor allem der politisch Rechten und Ausgegrenzten zugutekommen könnten.

Wie nicht anders zu erwarten, versucht die politische Elite der EU sich dieser unbequemen Politikerin über problematische Gerichtsklagen zu entledigen. Le Pen und ihre Partei Rassemblement National sollen Gelder im Europäischen Parlament veruntreut haben. Im Kern geht es um Scheinarbeit von parlamentarischen Assistenten, die vor allem für die Partei und nicht für die Parlamentsabgeordneten gearbeitet haben sollen.

Angeklagt sind Marine Le Pen und gut zwei Dutzend weitere Personen. Die Staatsanwaltschaft fordert für Marine Le Pen fünf Jahre Haft, wovon drei auf Bewährung. Ferner soll sie fünf Jahre lang nicht mehr in politische Ämter gewählt werden dürfen. Und das sogar, falls sie in Berufung gehen und das Verfahren sich in die Länge ziehen sollte. Hinzu kommt eine Geldstrafe in Höhe von 300 000 Euro. Damit will man sie offensichtlich von den nächsten Präsidentschaftswahlen ausschliessen.