Was steckt hinter Wladimir Putins Weihnachts-Waffenstillstand? Der Wunsch nach einer Verschnaufpause? Schliesslich hat seine Armee in den zurückliegenden Tagen beschämende Verluste hinnehmen müssen. Ukrainische Präzisionsschläge gegen improvisierte Kasernen, erleichtert durch krasse Fehler der russischen Militärführung, haben Hunderte Menschenleben gefordert. Die ukrainische Artillerie wird gefährlicher, die Zielaufklärung exakter. In diesen Bereichen wirkt die westliche Unterstützung massiv.

Daran ändern auch 36 Stunden einseitige Feuerpause nichts. Doch Putin ist bekannt für die Taktik, mit einer Klappe möglichst viele Fliegen zu schlagen. Ein Waffenstillstandsangebot, erst recht ein einseitiges, sorgt immer für Imagepunkte. Erst wenige Tage zuvor hatte der russische Präsident Verhandlungsbereitschaft gezeigt – wohlgemerkt zu den eigenen, russischen Bedingungen. Putin will, dass die Ukraine und ihre Unterstützer im Westen als die eigentlichen Kriegstreiber gelten.

Doch hinter der Weihnachtspause steckt noch etwas anderes. Angeregt hat sie der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill. Seine Kirche verfolgt ihren eigenen Ukraine-Krieg. Gegner ist die ukrainische Orthodoxe Kirche, die seit 2019 vom Ökumenischen Patriarchen als gleichberechtigte Nationalkirche anerkannt ist. Allein das war für die Russen eine Erniedrigung ersten Ranges. 2022 hat die ukrainische Kirche ihren Gläubigen erstmals freigestellt, das Weihnachtsfest auch am 25. Dezember zu begehen, also nach dem Kalender, den der römische Papst Gregor XIII. Ende des 16. Jahrhunderts eingeführt hat. Aus russischer Sicht – dort wird Weihnachten nach dem Julianischen Kalender gefeiert – ein Sakrileg.

Der Weihnachtsstreit beleuchtet eine weitere Dimension dieses Krieges. Es ist das uralte Rom gegen Byzanz, West gegen Ost in Europa. Mit der Anerkennung des 25. Dezember haben die Ukrainer den Glauben verraten, ihre Religion an den Westen verkauft – so stellt es sich manchen in Moskau dar. Neben allem anderen demonstriert die Weihnachts-Waffenpause auch einen Wahrheitsanspruch.

Die 3 Top-Kommentare zu "Rom gegen Byzanz: Putins Weihnachts-Waffenpause demonstriert auch einen Wahrheitsanspruch"
  • john london

    Die russisch-stämmige Bevölkerung in der Ukraine feiert Weihnachten wie gehabt anfangs Januar! Da kann auch der ‚Terror‘ der ukrainischen Zentralregierung gegen diesen Bevölkerungsteil nichts ändern. Die beschriebene Situation ist der beste Beweis dafür, dass die Rechte einer grossen Minderheit in der Ukraine seit Jahren mit Füssen getreten werden! Dies ist u.a. auch ein Auslöser für den aktuellen Bürgerkrieg.

  • beograd

    Die Russen haben an einem Tag 86 Soldaten verloren, das stimmt. Auf der anderen Seite verlieren die Ukrainer jeden Tag 250 bis 350 Soldaten, was Fasbender uns verheimlicht. Ihre Technik und Infrastruktur ist in Kollaps. Die Russen brechen an allen Fronten durch ,und die Arbeit wird schnell erledigt sein. Es wäre gut, wenn die Weltwoche alle Realitäten im Bericht aufnehmen würde. Fassbender geht immer mehr und mehr auf NZZ und Tagesanlüger zu. Das brauchen wir nicht zu lesen. Nicht in WW!

  • tempelritter1947

    Mir wäre es sehr lieb wenn von der westlichen Seite endlich mal ein Zeichen für Verhandlungen oder zumindest eine längere Feuerpause käme. Stattdessen glänzen die Augen der Flintenweiber von den Grünen und der FDP. Ich rate zur Vorsicht. Durch zu große Waffenlieferungen werden wir Kriegspartei. Oder sind es vielleicht schon.