Mit dem Auftritt des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Parlament hat die Schweizer Classe politique Grundsätzliches verletzt: Ob ein Redner nun Selenskyj heisst oder Putin, ob Scholz oder Macron – eine gewisse Ordnung gilt es auch in der Politik zu beachten, sonst fällt das Gefüge eines Staates auseinander.

Selenskyj richtete seine Berner Rede nämlich an die falsche Adresse. Auf seiner Ebene wäre die Schweizer Regierung, also der Bundesrat, die zuständige Instanz. Es ist falsch, wenn das Parlament zulässt, dass sich regierende Staatsleute anderer Länder an unsere Volks- und Standesvertreter wenden. Denn dann steht das Parlament da wie ein Befehlsempfänger, der die Forderungen nach Unterstützung, Geld und Waffen direkt entgegennehmen muss.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Winston Churchill in der Schweiz begeistert gefeiert. Aber der frühere Premier sprach nicht im Parlament, sondern vor dem Berner Rathaus, in der Universität Zürich und auf dem Zürcher Münsterhof. Ganz ähnlich Bundeskanzler Helmut Kohl, der seine Wünsche an die Schweiz, der EU beizutreten, in der Aula der Uni Zürich äusserte.

Churchill hat am 26. Dezember 1941 auf Wunsch des amerikanischen Präsidenten und des Kongresses vor dem Parlament gesprochen, denn seit dem kurz zuvor verübten Überfall auf Pearl Harbor waren die USA und Grossbritannien Alliierte im Krieg gegen die Achsenmächte und Japan. Beide Staaten, so Churchill, müssten noch viel lernen in der «grausamen Kunst des Krieges». Auch müsse noch viel geschehen, bevor die Allianz ihre volle Kraft entfalten könne.

Doch Churchill, tiefsinnig und humorvoll, begann seine Rede mit: «Mein Vater war Brite und meine Mutter Amerikanerin. Wäre es umgekehrt, würde ich vielleicht an Ihrer Stelle sitzen. In diesem Fall wäre dies nicht das erste Mal gewesen, dass Sie meine Stimme gehört hätten.»